Voller Dankbarkeit blicke ich auf die vergangenen Erlebnisse und Abenteuer zurück und freue mich, dass wir auf dieser Welt in so einem schönen Land sein dürfen.

Vor ein paar Wochen sind Tobi und ich mit Bojka zusammen in unserem alten Camper Otto auf die Reise gegangen. Dass der Camper so zuverlässig fährt und alles funktioniert – der Kühlschrank, der Ofen, der Gasherd, der Warmwasserboiler, die Pumpe, Motor, Bremse, Getriebe,… ist fast schon wie ein Wunder.


Für ein paar Tage vergesse ich die Gedanken an verloren geglaubte Dokumente und vermutlich ins Nirvana archivierte Studienunterlagen sowie die ganze Einwanderungsgeschichte. Wir drei sind auf einer wunderschönen Reise, auf der Suche nach Vögeln und auf Entdeckungstour des Goldrausches vor cirka 130 Jahren. Unsere Route startet in Whitehorse und führt uns über den White Pass bis an die Küste Alaskas in Skagway. Dort war ich noch nie! Unser erster Halt ist der Swan Haven am Marsh Lake, wo zu dieser Zeit die ersten Schwäne zu sehen sind. Sie sammeln sich auf dem offenen Teil des Sees um nach ihrer anstrengenden Migration kräftig aufzutanken. Die Junschwäne nutzen diese Zeit um ihren Partner fürs Leben zu finden, denn nur wenige Wochen später werden die weißen Schönheiten weiter ziehen und nach Brutplätzen suchen.

Über das noch feste Eis kommen wir ziemlich nah an die Schwäne heran um tolle Fotos zu schießen. Wunderschön, wie ihre geöffneten Flügel in der Sonne leuchten und wie Wasser und Eis um die Wette glitzern.

Später machen wir einen kurzen Halt an einer Brücke, denn auf dem Fluss sind ebenfalls unglaublich große Gruppen an Schwänen zu sehen und sogar ein Adler sitzt auf einem Strommasten und lässt sich von mir überhaupt nicht aus der Ruhe bringen. Während ich so die Schwäne beobachte, entdecke ich am Ufer gegenüber plötzlich zwei Flussottern, die sich jagen und necken, bis sie wieder ins Wasser tauchen.

Wir tauchen ein in die wunderschöne Berglandschaft auf dem Pass und halten an der amerikanischen Grenze. Der eine Beamte kann mein Esta nicht im System finden und als ich ihm die deutsche Bestätigung auf meinem Handy zeige, wirkt er leicht frustriert bis verärgert, weil er es nicht lesen kann. Glücklicher Weise hat er trotzdem Geduld und sein Kollege kann mich in dessen Computersystem finden. Ich bin ein Fehler im System – wer hätte das gedacht? Nicht einmal meine ehemalige Hochschule findet mich. Mein Studium liegt allerdings bereits 20 Jahre zurück, also ist das kein Wunder. Ich denke überhaupt nicht gerne an meine Zeit als Studentin zurück und hätte damals am liebsten abgebrochen – jetzt zu denken, dass das alles umsonst war ist weder korrekt noch erbauend – also verwerfe ich den Gedanken gleich wieder; gedacht, analysiert, weiter gescrollt.



Weiter geht auch unsere Reise bis nach Skagway, wo wir allerdings nicht bleiben möchten. Vor allem Tobi zieht es nach Dyea – das ist eine ehemalige Siedlung, von der man heute allerdings nicht mehr viel sehen kann. Die Lage ist aber toll und dort befindet sich auch ein Waldcampingplatz. Ohne Elektrizität, versteht sich, aber die Plätze sind schön geschützt, es gibt eine Feuerstelle und weiter vorne findet man Holz, Klohäuschen und eine Grillhütte. Zur Feier unserer Reise öffne ich eine Flasche Sekt. Schön ist es hier! Die so genannten Flats sind eine Art Landzunge zwischen Gebirge und Meeresbucht entlang einer Flussmündung ins Meer. Besonders spannend ist es hier bei Ebbe, weil man recht weit laufen und sehen kann. Mit der Flut lassen sich ein paar Seehunde in die Bucht spülen. Ein riesiger Schwarm Möwen hat sich auf einer Sandbank angesammelt und scheint auf Beute zu lauern. Die Vielzahl an Wasservögeln ist enorm! Aber auch Adler und kleinere Vögel fühlen sich in der vielfältigen Landschaft um die Flats sehr wohl. Im höheren Gras jagt eine Weihe in der Hoffnung auf fette Beute. Ein Paar Mountainbluebirds macht kurz an unserem Stellplatz Halt und eine American Robin singt uns ein Abendständchen. Für mich sind das zwei Vogelarten, die ich noch nicht kannte und noch nicht vorher gesehen habe. Als wir am nächsten Tag weiter ins Landesinnere fahren und am Flussufer Rast machen, entdecke ich meinen ersten Belted Kingfisher (auch diese Art muss ich zunächst in meinem Buch nachschlagen) und wir können sogar ein paar tolle Aufnahmen von ihm machen. Ich entdecke noch einen Adlerhorst, unweit von unserem Platz für die Nacht, fast direkt am Flussufer. Mit den Fischen im Fluss ist die Lage bestimmt optimal für das Großziehen der Jungen. Ich entdecke nur einen Adler und frage mich, ob das Weibchen bereits so bald schon ein Gelege haben kann. Immerhin ist das Klima an der Küste einige Wochen voraus im Vergleich zu unserem Klima im Yukon oben, wo es noch Schnee und Eis gibt.












Die Vogelbeobachtung ist für mich der schönste Grund für diese Tour, für Tobi ist es eine willkommene Reise in die Geschichte der Goldgräber, die ihn so fasziniert. Spannend ist es tatsächlich, wie die Pioniere vor so langer Zeit hier angekommen sind und überlebt haben. Sie waren stark auf die Hilfe der umsiedelnden Urvölker angewiesen. Der berüchtigte Chilkootpass war eine der größten Herausforderungen für die Ankömmlinge, der felsige Steilhang hat viele in die Knie gezwängt. Recht umständlich aber doch überraschend schnell wurde eine Stadt gebaut, von der heute noch Fotografien und ein paar Wege übrig sind. Das Anlegepeer ist nie fertig geworden und die Reste davon sind inzwischen vom Meer fast entgültig weg gespült worden. Von der Ureinwohnersiedlung ist nichts mehr übrig. Dafür gibt es noch die Eisenbahnstrecke über den White Pass, sie ist auch als Touristenattraktion weiterhin nutzbar! Nur hat sie den ersten Pionieren noch nichts genützt, denn sie ist pünktlich zum Ende des Goldrausches nach drei Jahren fertig geworden. Allerdings ist es eine beachtliche Leistung, dass die beschwerliche Arbeit so schnell von Statten gehen konnte! Allein schon der Transport der Materialien über die Schiffe ist eine Aufgabe. Aber dann noch die harte Arbeit im Gebirge, darüber lassen sich ganze Romane schreiben. Die Namen der Eisenbahngründer sind heute noch bekannt. Ein paar weitere Namen, wie etwa die zweier Schiffskapitäne, sind ebenfalls in die Geschichte eingegangen. Zumindest sind das die Zeichen der Zeit, die wir als Touristen heute noch auf den Schildern lesen können. Ich bin mir sicher, dass so manche Großeltern ihren Urenkeln noch von den Menschen in Alaska erzählt haben, die ihnen durch ihre Hilfe den Weg zum Gold geöffnet haben oder gar das Leben gerettet haben. Solche Einzelschicksale haben in den Geschichtsbüchern wenig Bedeutung und doch machen genau sie den Unterschied für den Einzelnen.


Was ich als Träumerin von Weltverbesserung daraus mitnehmen kann ist meine immer wieder kehrende Lernaufgabe: Ich kann die Welt nicht verändern, aber ich kann für die einzelnen Menschen um mich herum einen Unterschied machen. Wahrscheinlich nicht, in dem ich Leben rette und leider kann ich auch kein Leben schenken, aber einfach nur indem ich für andere da bin. Manchmal bin ich mit meinem Einfluss völlig unzufrieden und fühle mich, als ob mein Leben keinen Unterschied auf der Welt macht. Global betrachtet ist das so, aber nicht aus nächster Nähe gesehen. Wichtig ist, dass ich weiß, dass ich genug bin und dass ich genug mache. Zumindest ist das die Denkweise, die mich nach einer Lebens-Sinnkrise wieder auf den Boden zurückholen kann. Alles Teil der Midlifecrisis – ich bin über 40, also darf ich so was haben…
Was mir allerdings lieber ist, sind die positiven Gedanken. Ich habe alles, was ich brauche. Mein Leben ist schön und gut. Ich habe viel erreicht, auch für andere. Mein Leben ist ein Flusslauf. Ich kann paddeln aber ich kann nicht beeinflussen, was hinter der nächsten Flussbiegung auf mich zukommt. Ich genieße die Reise, halte durch bei Wind und Wetter, kämpfe mich durch Strömungen und Strudel und hinter mir sitzt einer am Steuer und freut sich über jede noch so kliene gemeisterte Aufgabe.

Derzeit sind es eben einfach die Vögel, die Hühner, der Garten, die Nichte, meine Familie und Freunde. Vielleicht, irgendwann einmal, bewirke ich mehr auf dieser Welt und übernehme das Steuer an meinem Schiff. Aber eben nicht gerade hier und jetzt.
Bereits der weise Salomon wusste, dass alles sinnlos und nichtig ist. Also genießen wir das Leben und freuen uns über jedes noch so kleine Wunder darin, während wir um die großen Wunder beten, wie etwa das unerklärliche Auftauchen meiner Studiendokumente irgendwo im verstaubtesten Winkel der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch-Gmünd, eine späte Schwangerschaft und wenn wir schon dabei sind, warum dann nicht auch gleich ein Lottogewinn (Spaß).
Zurück auf dem Boden der Tatsachen
Da uns die Reise so sehr in die Zeit von damals zurückversetzt hat, als wir vor rund sieben Jahren mit dem Camper quer durch den Yukon und BC gereist sind, kommen wir in bester Laune zurück in unserer Hütte an. Der Schnee ist inzwischen auch hier völlig weg getaut und die Gartensaison hat begonnen. Nichts desto trotz wollen wir schon bald wieder für ein paar Tage los ziehen, diesmal in die Gegend des Kusawa, wo es uns schon immer am besten gefallen hat. Hatte ich schon erwähnt, wie viele verschiedene Vogelarten es dort zu entdecken gab? Für die Vorbereitung auf unsere nächste Reise fahren wir zunächst einmal ins Dorf, dort gibt es noch ein paar Dinge zu erledigen. Unter Anderem haben wir uns verabredet – doch es passieren so einige Überraschungen und Wendungen an diesem Nachmittag. Zunächst einmal ist unsere Verabredung nicht zu Hause. Das ist schon einmal etwas seltsam, so ganz ohne Abmeldung; da muss etwas sehr Dringliches dazwischen gekommen sein. Als wir vor verschlossenen Türen stehen, sehen wir gegenüber zufällig Ryan aus seinem Auto aussteigen. Er ist so ziemlich überall auf der Welt und ständig unterwegs. Natürlich sagen wir Hallo und da stellt sich heraus, dass er einen Fifthwheeler zu verkaufen hat, den größten, den es gibt und dazu noch winterfest. Ich bin ja eher weniger für solche Deals zu haben aber Tobi springt sofort an, da es ein unschlagbares Angebot zu sein scheint. Also werden wir uns das Teil anschauen. Ich warte derweil auf Antwort von meiner Freundin, die ich zum Essen einladen wollte. Es ist etwas untypisch, dass sie mir noch nicht geantwortet hat. Plötzlich erhält Tobi eine Nachricht von unserer geplatzten Verabredung: Sie sei sofort ins Auto gesprungen und los gefahren, da eine gute Freundin von ihr in Whitehorse im Krankgenhaus im Sterben liegt. Mich überkommt ein sehr ungutes Gefühl. Ich denke, die Mutter meiner Freundin ist diese Frau, um die es sich hier handelt. Wir kennen sie seit etwa sechs Jahren und so lange bin ich auch mit ihrer Tochter befreundet, die mit mir im gleichen Alter ist. Zu den Beiden habe ich gleich eine besondere Bindung aufgebaut, wir haben viele Gemeinsamkeiten und die Mutter war einfach immer so fröhlich, so lieb und so sanft in ihrer ganzen Art. Trotz meiner dunklen Vorahnung gehen Tobi und ich noch ein wenig raus um zu fotografieren und abschließend noch in den Pub für einen Imbis zu zweit. Leider fühle ich mich nicht besonders und Tobi meint sogar, ich sehe aus wie ein Geist und sollte lieber aufhören, mir solche Sorgen zu machen. Die meisten Sorgen sind unbegründet und ändern nichts daran, dass es ist wie es ist. Leider ist es in meinem Fall tatsächlich anders und wir erhalten die Nachricht nicht arg viel später: Die Mutter meiner Freundin liegt im Sterben und es gibt keinen Weg mehr, sie zu retten. Ich bin untröstlich. Hier ist sie wieder, die unerwartete Stelle hinter der Flussbiegung, die wir nicht ändern können sondern nur weiter paddeln. Ich mache hier allerdings dennoch kurz Halt, obwohl mir diese Stelle überhaupt nicht gefällt. Krankenhäuser stehen für mich mitsamt Arztpraxis, Zahnarztpraxis und Friedhof ganz oben auf meiner Liste der unbeliebtesten Orte überhaupt. Trotzdem besuche ich das Krankenhaus. Es ist ein guter Abschied, leider viel zu früh und völlig unerwartet aber gut. Friedvoll. Traurig. Endgültig bis zum Wiedersehen in einer anderen, besseren Welt. Bis dahin werden wir weiter paddeln, denn hinter der nächsten Biegung wartet bereits das nächste Abenteuer auf uns: der Birdathon.
Derzeit, weil es Mai ist, erwarten wir viele Zugvögel zurück im Yukon und entsprechend veranstaltet Birds.Canada einen so genannten Birdathon. Jeder in Kanada kann sich anmelden und teilnehmen. Die Möglichkeiten sind simpel: man erstellt eine Seite auf birds.canada mit einem Link, Fotos und einer kleinen Beschreibung worum es geht und ruft Freunde zum Spenden auf. Also habe ich das gemacht.
Leider ist meine Reichweite auf Social Media recht begrenzt, daher versuche ich es auf diesem Weg: Falls euch die Vögel Kanadas auch am Herzen liegen beziehungsweise Vögel allgemein, dann könnt ihr ganz einfach über diesen Link etwas spenden – das würde den Vögeln helfen und mich ganz doll freuen! Als Gegenleistung bekommt ihr auf dem Link immer einmal wieder ein Update zu meinen Birding-Abenteuern in Form von Fotos und Videos. Die Aktion geht noch bis Ende Mai und bisher hat Tobi in meinem Namen 10 Euro gespendet – 10 Euro von 500, das sind 2 Prozent, wenn ich das als ehemalige Mathelehrerin so richtig im Kopf rechnen kann. Es bleibt euch noch Zeit bis Ende Mai! Also los!
https://www.canadahelps.org/en/charities/Birds_Canada/p2p/birdathon25/page/birding-for-the-yukon
Los geht es für mich ab sofort mit Garten, Hühnerstall und Kükenprojekt – darüber aber später mehr. Leider hab ich im Moment keine Zeit, nachträglich über den vergangenen Winter in Kanada zu berichten. Insgesamt war er für kanadische Verhältnisse eher kurz, nicht allzu kalt und dunkel und mit überraschend wenig Schnee. Oder sind wir einfach inzwischen zu sehr an die strengeren Winter in Lappland gewöhnt? Dort waren wir nochmal etwa 300km weiter nördlich zu Hause als hier.





Falls ihr ein paar visuelle Einblicke in den Winter möchtet, könnt ihr gerne mal auf Instagram unter timeoutinlapland bzw. Welovetheyyukon auf Facebook schauen. Wie dem auch sei, jetzt kommt erst einmal der Sommer! Da gibt es wie immer jede Menge zu Tun…also auf ins nächste Abenteuer!