Stille und Einsamkeit

Womöglich klingen diese Worte für manchen eher negativ, aber nach unserem Besuch im Januar hatten wir definitiv wieder Hunger nach Stille und Einsamkeit.

Ende Dezember, Anfang Januar ging es hingegen rund: Ausflüge auf Schneeschuhen, mit den Schneemobilen, zur Eishalle, zum Eisfischen. Das ganze Programm – noch dazu in Begleitung dreier Jugendlicher.

Wir hatten alle jede Menge Spaß und für Tobi und mich war diese Zeit bei all der Arbeit, die ansteht, eine Art willkommener Aktivurlaub. Ein Highlight war sicher die, auch für uns selbst hier bislang längste, Schneemobiltour zu den Wasserfällen, die wir bereits im Sommer mehrmals besucht hatten. Am ersten Januar ging es los; dick eingepackt, bei Sonnenschein und minus 20 Grad, mit Tee,  Kartoffelsalat und Brot im Rucksack, etwas Holz für ein Lagerfeuer, ausgestattet mit einer Schaufel und einer Axt.

 Die Hinfahrt war wunderschön. Um die Aussicht zu genießen und bei Sonnenuntergang noch ein paar schöne Fotos zu schießen, haben wir eine kleine Pause eingelegt. Danach konnten wir die minus 20 Grad deutlicher spüren und die Weiterfahrt wurde recht beschwerlich. Maja und ich mussten schließlich absteigen und den Rest der Strecke zu Fuß marschieren, damit uns „die Füße wieder auftauen“ konnten. Als wir später zu den anderen kamen, hatten die bereits ein Lagerfeuer gemacht und wir konnten uns daran mit etwas heißem Tee aufwärmen. Der Kartoffelsalat war allerdings  indes gefroren. 

Nichtsdestotrotz haben wir noch ein paar Fotos von der schönen Eislandschaft gemacht, bevor schließlich auch die Fotobatterie der Kälte zum Unterliegen kam. 

Auf der Heimfahrt wurde es bereits dunkel und wir waren mächtig durchgefroren, bis wir nach gut 20 Minuten endlich wieder zu Hause waren. Nichts Besseres als jetzt eine heiße Schokolade und die Öfen super gut eingeheizt!

So viel Spaß das Herumtouren mit den Schneemobilen auch macht, so ist es doch mindestens genauso schön oder noch schöner, die Umgebung zu Fuß zu erkunden. 

Mein Hunger nach der Stille ist inzwischen groß genug, um die lauten Gefährte für den Rest des Monats im Schuppen stehen zu lassen. Langlauftouren und Schneeschuhtouren sind nun wieder alltäglich und eine willkommene Abwechslung. 

Ich genieße die Stille und die Einsamkeit sehr, sie sind mir zwei gute Freunde geworden, die ich nur ungern missen möchte. Während wir Einsamkeit bewusst wählen und jenen Zustand auch wieder ändern können, so ist Isolation hingegen von außen bestimmt und wir haben keinen Einfluss darauf, wann sie endet. Wenn mich draußen in der weißen Winterwelt nur die Stille umgibt und ich ab und zu das Krachen der vor Kälte ächzenden Bäume oder des Eises höre, wenn ich weiß, dass mir weit und breit niemand begegnen wird, außer vielleicht mal ein Schneehuhn, ein Fuchs oder ein Elch, dann macht mich das sehr dankbar, demütig und gleichzeitig glücklich. 

Im Januar erleben wir die letzten Tage gehäuft intensive Polarlichter. Der Sternenhimmel ist zeitweise so intensiv, wie ich ihn zuletzt im Yukon gesehen habe. In manchen Nächten scheint der Vollmond derart flutlichtartig hell, dass wir wandern und Ski fahren können.

Aber auch das Licht bei Tag ist beeindruckend. So schnell schreitet die Tageslichtlänge voran: inzwischen dämmert es um 7 Uhr und um 5 Uhr ist es dunkel.

Wir erleben fast täglich eine andere Stimmung am Morgen: mal ist es das Morgenrot, mal gibt es eine blaue Stunde, mal färben sich die Wolken und der Schnee rosa, während der Himmel einen sanften, hellblauen Kontrast bildet. 

Kontrastreich war sowohl das Wetter, als auch die Natur im Januar. Von frostigen Minusgraden über wochenlanges Tauwetter bis hin zu 25cm Neuschnee an einem Tag, war praktisch alles dabei. Entsprechend erschienen uns die Bäume mal vollkommen weiß, dann wiederum waren alle Nadelbäume grün und die Laubbäume in ein weißes Frostkleid gehüllt. Derzeit sind die Äste wieder leicht von Schnee bedeckt. 

 Die ruhigeren Wintertage bieten eine wunderbare Gelegenheit, viel Neues in der Küche auszuprobieren: ich backe meine ersten eigenen Hamburgerbrötchen, Hotdogbrötchen, Laugenbrezeln (die gibt es in Schweden nur als Tiefkühlware beim Lidl) und Frühlingsrollen nach Lapplandart. Der Teig für die Frühlingsrollen ist viel einfacher hergestellt, als gedacht. Anschließend backt man daraus kleine, dünne Pfannkuchen. Unsere Füllung besteht aus heimischen Karotten, Zwiebeln, Weißkraut, Knoblauch, Rentierhack sowie importierten Bambus- und Sojasprossen. Die würzige Mischung sorgt definitiv für einen asiatischen Hauch mitten in Lappland. 

Eine kleinere Turbulenz kommt auf, als eines Morgens plötzlich unsere Küchenhexe unter Wasser steht. Der gesamte Brennraum ist überflutet! Schnell finden wir heraus, dass ein winziges Loch an einer Schweißnaht des Wasserbehälters die Ursache ist. Zunächst sind wir etwas besorgt, da doch dieser wasserführende Holzofen unseren gesamten Keller beheizt. Schnell ist klar, dass keine Zeit bleibt, um auf eine Reklamation zu warten – wir fragen bei einem Schweißer nach. Leider ist der eine gerade bei einem Feuerwehreinsatz, wie es sich später herausstellt, und der andere befindet sich in Sankt Petersburg. Also: Internetrecherche und selber ran! Einen Körner haben wir und einen Hammer auch und vorsichtig beginnt Tobi damit, das Metall um das Loch herum zu bearbeiten. Die dadurch entstandenen Verschiebungen schließen das Loch und kurze Zeit später ist alles wieder in Ordnung. Bei den Minusgraden zu der Zeit (bis zu minus 30) eine echte Erleichterung!

Ob wir eigentlich hinter dem Mond leben? Ja! In gewisser Weise. Wenn wir keine Nachrichten hören wollen, lesen wir keine. Und wenn wir keine Neuigkeiten wissen wollen, besuchen wir niemanden und rufen niemanden an und sind bei den typischen Überraschungsbesuchszeiträumen mal einfach beim Eisangeln. Hinter dem Mond ist die Welt immer in Ordnung und es gibt jeden Grund, die Seele sanft und unbeschwert baumeln zu lassen.

Da jubelten sie, dass endlich Stille herrschte!
Gott brachte sie in den sicheren Hafen an das ersehnte Ziel.
Psalm 107, 30

So, das war‘s von hier, vom kalten, stillen und einsamen Ende der Welt – wo es sich doch ganz gut aushalten lässt (we love it)…

Ein Kommentar

  1. Wolfgang Goller

    an einem stillen Ort liegt der Herr seinen Anker an

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