Auf Kurs bleiben

Es ist Frühling

Es ist Frühling in Lappland – und das ist inzwischen nicht mehr zu leugnen.
Anfang des Monats haben wir zwar noch irritierendes Aprilwetter: Sonne, Wolken, Schneefall und Wind – alles innerhalb weniger Stunden,
aber inzwischen taut der Schnee beständig weg. Strahlender Sonnenschein weckt uns bereits morgens um fünf und begleitet uns bis abends um acht. Da bleibt die Hausarbeit gerne zwischendurch liegen; gegen dieses Wetter hat selbst das Backen
kaum eine Chance. Es gibt fast nichts, was uns davon abhält, rauszugehen. Nur dem Wind ist es zu verdanken, dass der Haushalt gelegentlich doch noch auf den Plan tritt.

War ich im Winter von den vielen Vögeln in unserem Garten angetan, so bin ich jetzt von ihrer Präsenz überwältigt!
Blaumeisen, Kohlmeisen und Kleiber und selbst der Buntspecht kommen nach wie vor. Neuerdings sind auch Amseln, Buchfinken, Fichtenkreuzschnäbel und
Goldammern mit dabei.

Die Temperaturen tagsüber steigen mit der Sonne bis zu 8 Grad Plus an und kühlen nachts bis etwa 3 Grad Minus runter. Dadurch und dank des trocknenden Windes, ist die Schneedecke bis zum frühen Nachmittag fest. Dies schafft für unsere Wanderungen ganz neue Möglichkeiten! Wir können querfeldein laufen und benötigen kaum mehr unsere Schneeschuhe. Selbst Sumpfgebiete, die im Sommer nahezu unpassierbar sind, überqueren wir mühelos – es sei denn, es ist nach fünfzehn Uhr; von da an kann es teilweise matschig bis hin zu ziemlich nass werden…
Tobi und ich lieben es, die Umgebung zu erkunden und wir genießen unsere Freiheit, die wir den Umständen mit der gefrorenen Schneedecke verdanken.

Während ich so durch die Wälder und über Ebenen streife, hänge ich gerne meinen Gedanken nach. Doch zum Träumen bleibt nicht so viel Muse – immer wieder muss ich mir ins Bewusstsein rufen, wo ich derzeit bin und wo meine Orientierungspunkte sind. Ich bin nicht besonders stark
darin, die Richtung beizubehalten. Wenn ich nur nach dem Gefühl wandere, lande ich oft völlig woanders, als gedacht. Dies hatte ich im Sommer bereits festgestellt, als ich mit Aleesha zu einem Wasserfall wandern wollte, den uns Saskia einmal mit dem Auto gezeigt hatte. Zunächst hat sich alles total richtig für mich angefühlt, ich dachte wirklich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Doch irgendwann war ich mir plötzlich völlig unsicher, weil die Gegend so komplett anders aussah. Also habe ich mir mein Handy geschnappt und auf der Karte festgestellt, dass ich mich in der ganz entgegengesetzten Richtung befinde! Ich bin praktisch spiegelverkehrt gelaufen.
Nun im Frühling, wo alles durch den Schnee noch viel gleicher aussieht, sind Orientierungspunkte umso wichtiger. Tobi zum Beispiel macht es folgender Maßen: er orientiert sich an kleinen Baumgruppen, an den Wassergräben, an Ebenen und Seen. Waren diese im Winter nur schwer voneinander zu unterscheiden, so geht das inzwischen umso einfacher und das ist auch gut so, da das Eis langsam dünner wird. Ich folge Tobis Beispiel und orientiere mich an Hochsitzen, der Stromleitung, Sendemasten und Schneemobilpfaden… zugegeben, das sind jetzt nicht so die Dinge, die mir im Yukon helfen würden; insofern brauche ich noch etwas mehr Übung, was den Blick für die natürlichen Anhaltspunkte angeht. Mein persönliches Ziel ist es, mich zunehmend an der Sonne orientieren zu können; dafür muss ich aber vorher auf der Karte schauen, in welcher Himmelsrichtung der Ort liegt, den ich erreichen möchte.

Tobi und ich haben noch nie einen wirklich gefährlichen Schneesturm miterlebt. An einem windigen Apriltag in den Bergen sind wir bei strahlendem Sonnenschein auf einen noch gut gefrorenen See gegangen. Tobi und Aleesha zu Fuß, ich mit den Langlaufskiern. Irgendwann unterwegs kam ein Schneesturm auf und ich war überrascht, wie schnell unsere Spuren derart verweht waren, dass sie kaum mehr zu erkennen waren. Es war wie gesagt kein starker Schneesturm und wir konnten uns noch leicht am Ufer orientieren. Trotzdem war es schön, sich kurz in einer Art Schneehöhle zu verkriechen, bis die Sonne wieder da war.

Ein Unterschlupf


Aber was würden wir bei einem echten Schneesturm tun? Zum einen ist es wichtig, vorbereitet zu sein. Eine Grundausstattung habe ich immer dabei: Streichhölzer, einen Anzünder oder ein Teelicht, ein Messer und eine Notfalldecke. Denn in einem Schneesturm kann man das Weitergehen vergessen: man sieht keine Orientierungspunkte, die Spur verliert sich im Schneegestöber und die Sicht begrenzt sich auf wenige Meter. Dagegen ist eine Schneehöhle oder ein Biwak schnell gebaut und ein kleines Feuer lässt sich auch bewerkstelligen. Ich glaube, das Wichtigste in einem Schneesturm ist, dass man sich nicht verzweifelt abmüht um irgendwie nach Hause zu finden, das zehrt aus und ist vergebens. Daher ist es wichtig, Kraft zu sparen und sich warm zu halten, bis man den Weg wieder aufnehmen kann.

Hinter mir der Schneesturm

Im Leben ist es doch genauso: wenn ein Sturm aufkommt, dann brauchen wir erst mal eine Auszeit und wir schauen, dass es uns während dieser Zeit gut geht, dass wir unsere Kräfte nicht verschwenden, bis wir den Weg in Richtung Ziel wieder aufnehmen können. Ähnlich geht es Tobi und mir in unserer Lebenslage: unser Ziel nach Kanada auszuwandern ist sozusagen bis auf unbekannte Zeit unerreichbar. Nicht nur, dass wir derzeit nicht einreisen dürfen und falls doch, dass die Einreisebestimmungen (untertrieben:) ungünstig sind für uns, sondern auch, dass inzwischen unsere Land Application vehemente Gegenstimmen bekommt. Wir sind zwar Grundbesitzer im Yukon, zusammen mit Tobis Bruder, aber wir wollten eigentlich noch ein Land abstecken, das außerhalb einer Siedlung liegt. Wenn ich so darüber nachdenke, was die Leute über unsere Application schreiben, dann bekomme ich ein ganz schlechtes Gewissen: da ist die Rede davon, dass wir Jagdgründe wegnehmen, dass wir Kindheitserinnerungen zunichte machen, dass wir ein Forschungsgebiet einschneidend verändern und so weiter. Das sind natürlich überhaupt nicht unsere Ziele – Unser Ziel ist es, mehr im Einklang mit der Natur zu leben, uns zunehmend selbst zu versorgen und dabei in Frieden mit unseren Mitmenschen zu leben. Diese Tür, denke ich, ist also verschlossen und wenn ich so dahinter schaue, möchte ich auch nicht hindurch brechen. Jetzt ist es wichtig, dass Tobi und ich unser Ziel nicht aus den Augen verlieren und unseren Orientierungspunkt fest im Blick behalten. Ich denke mir, das Ziel, wie wir leben wollen, können wir hier in Nordschweden eben so erreichen wie im Yukon. Unser Timeout soll kein Stillstand sein sondern eine gut genutzte Zwischenzeit um Kraft, Erfahrungen und Ideen zu sammeln. Tobi zieht es weiterhin nach Kanada (mich auch – sehr sogar!) und er überlegt sich, dass wir unser Ziel eventuell irgendwo anders erreichen könnten. Gleichzeitig hält er die Augen nach Grundstücken im Yukon offen, die wir vielleicht irgendwann kaufen können. Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht mehr sicher, ob Gott uns wirklich im Yukon haben möchte oder ob er schon immer Schweden für uns angedacht hatte. Im Prinzip halten wir uns ja an Gott und versuchen ihm zu folgen und uns an ihm zu orientieren. Dabei haben wir schon immer darauf geachtet, ob Türen geöffnet oder geschlossen werden. Wir nehmen das als Zeichen für den richtigen Weg. Während wir so darüber nachdenken und beten, öffnet sich eine andere Tür hin zum Yukon einen winzig kleinen Spalt weit… welche das ist, wird hier allerdings noch nicht verraten.

Für mehr Weitblick: Ein Ausflug in die Berge

2 Kommentare

  1. Wolfgang Goller

    Einen Vers aus dem Gebet Manasses: aber die Barmherzigkeit, die du verheißt ist unermesslich und unausforschlich. Denn Gott, der Herr, der Allerhöchste über dem ganzen Erdkreis ist von großer Geduld und sehr gnädig. Er möge euch auf eurem Wege begleiten und seine Wege und Steige richtig lehren.

  2. Wolfgang Goller

    Das vollständige Zitat aus 2. Korinther 5. Kapitel 18.Vers lautet wie folgt: aber das alles von Gott der uns mit sich selber versöhnt hat durch Christus und uns das Amt gegeben, das die Versöhnung predigt. 19.Vers denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.

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