Ich geh schonmal vor…du kannst ja dann nachkommen.

Während ich heute Abend inne halte und über die letzten zwei Wochen sinniere, kann ich nur staunen. Im Moment habe ich es mir in meiner Blockhütte so richtig gemütlich gemacht: bei satten 24 Grad, einem Feuer, Kerzenschein und gedimmten Licht und einer Tasse Tee sitze ich auf dem Sofa und schreibe diesen Blogeintrag. 

Die Fotos sprechen eigentlich dabei schon für sich: Es ist der schönste Indian Summer, den ich bislang im Yukon erleben durfte! Die Farben sind einfach gigantisch leuchtend und satt. Es gibt immerhin noch Cranberries, Wachholderbeeren und Hagebutte zu sammeln für den Winter. Holz ist, dank meines Schwagers, auch genügend da und sollte mich mindestens versorgt halten, bis Tobi mit Bojka zusammen nachkommt.
Die Hütte ist an Gemütlichkeit kaum zu überbieten; alles ist schnuckelig in edel-rustikaler Holzoptik, ganz handgezimmert von Jonathan, der sich mit dem Blockhütten- und Möbelbau wirklich ein großartiges handwerkliches Business aufgebaut hat.
Die erste Woche war ein wenig verrückt, weil ich gleich ganz viele Freunde von früher wieder getroffen habe. Es tut richtig gut, hier wieder so herzlich empfangen zu werden und mich über die letzten sechs Jahre mit meinen Freunden auszutauschen. Gleichzeitig versuche ich, mit meinen Freundinnen aus Schweden in Kontakt zu bleiben. 
Das Internet ist recht launisch, dadurch konnte ich mich leider noch nicht bei allen melden. Allerdings mag ich vorneweg dazusagen, dass es ein ungewohnter Luxus für mich ist, in meiner Hütte im Yukon Internet zu haben. Auch die Elektrizität, das fließende Wasser, die Sauna, eine Dusche und eine Waschmaschine direkt auf dem Grundstück sind alles Dinge, auf die wir vor 6 und vor 11Jahren verzichtet haben.
Wir hatten unser Wasser meist aus dem Fluss in Kanister abgefüllt, den Laptop und das Licht über Solar bzw. Autobatterie und Gas betrieben – und wenn es nicht viel Sonne gab, war abends früher dunkel oder wenn das Gas alle war, gab es morgens keinen Kaffee. Wir haben draußen unter freiem Sternenhimmel mit Wasser aus Kübeln geduscht, unsere Wäsche alle vierzehn Tage ins Dorf zum Waschen gebracht und während der Wartezeit das WiFi der Bibliothek genutzt. Lediglich das Outhouse (Klohäuschen) und der Holzofen erinnern mich an das simple und zeitlose Leben von damals. Erschreckend ist allerdings, wie schnell ich mich an den Luxus gewöhnt habe! Inzwischen frustriert es mich regelrecht, wenn das Internet doch einmal ausfällt.
Besonders irritierend ist dabei immer diese Zeitverschiebung! Wenn ich morgens aufstehe, ist Tobi meistens grad am Anfang des Feierabends und umgekehrt...

Schon bald nach meiner Ankunft reaktiviere ich meinen Sauerteig mithilfe der Sauerteigdrops, die ich mir in Schweden für die Reise getrocknet hatte. Es klappt super! Nachts wird der Sauerteig zusammen mit einer Bettflasche unter eine Decke gesteckt und tagsüber steht er nah beim Ofen. Nur wenige Tage später kann ich damit eines meiner Lieblingsbrote backen: Das Kartoffelbrot. Es klappt zu meiner Überraschung sogar in dem kleinen elektrischen Ofen, der eigentlich eher aussieht wie ein Spielzeug in meinen Augen. Doch er erreicht satte 260 Grad Celsius ganz lässig, wie es sich herausstellt und nach anfänglicher Vorsicht traue ich mich inzwischen schon, den gesamten Teig in Form zweier Brotlaibe auf einmal zu backen. Das ist auch einfacher, denn häufig wird es beim Backen recht spät für mich. Beide Male bin ich bis 1 Uhr wach, denn alle Vorteige muss ich morgens vorbereiten und diese brauchen mindestens 12 Stunden Zeit und genügend Wärme um richtig zu garen. Diese Wärme kann ich ihnen nur tagsüber bieten. Daher wird von nun an Abends Brot gebacken.
Auf die Ankunft meiner Internetbestellungen zur Postfachadresse in der Stadt freue ich mich schon sehr! Es wird alles dabei sein, was ich zum Brezeln Backen und zum Hautcreme Herstellen brauche.
Aber genug vorerst zum Hüttenleben, kommen wir zu den Abenteuern. Meine erste Tour führt mich zum Quill Creek und an den Kathleen Lake. Ich könnte fast weinen vor Glück und es fühlt sich noch vollkommen surreal an, dass ich nun hier bin! Ich verbinde so viele Erinnerungen an diese Orte und auf verrückte Weise wird mir gerade bewusst, wie sehr ich Aleesha hier und jetzt vermisse! Sie war es, die mich vor rund sechs Jahren auf all meinen täglichen Runden um den Creek und den Lake begleitet hat. Was wir alles für Abenteuer zusammen erlebt haben! Bären, Wolfsspuren, das dumpfe Krachen im Eis, ein riesiger Elch auf dem Weg, drei vorbeiziehende Pumas … Aber zurück zur Gegenwart.
Es folgt eine für mich mega geniale wie herausfordernde Wanderung zusammen mit meiner Schwägerin und ihrer Freundin zu den Thors. 16 Kilometer betragen Hin-und Rückweg insgesamt und wir legen stetig 500 Höhenmeter zurück. Als wir fast oben angekommen sind, bemerkt Annika zirka 2 Kilometer unterhalb von uns eine Gruppe dreier Schwarzbären. Durch das Fernglas können wir sie für eine kleine Weile in aller Ruhe beobachten.
Oben angekommen, haben wir eine geniale Aussicht. Das heißt; kurz bevor ich ganz oben bin, lege ich mich einmal flach auf den Rücken und atme tief durch, um den Muskelkrämpfen entgegen zu wirken. Später stelle ich zu meiner Verblüffung fest, dass wir noch nicht am Ziel angekommen sind! Es gibt praktisch drei Tore. Das sind eindrucksvolle Felsformationen auf dem Bergrücken, die jeweils mittig eine Lücke haben. Daher vermutlich der Name, ich müsste mich dazu mal im Reiseführer schlau machen. Das dritte Tor am Ende entgegen all meiner Bedenken, Zweifel und inneren Schweinehunde erreicht zu haben, erfüllt mich mit einem unbeschreiblichen Hochgefühl.
Wir legen eine längere Pause ein. Da mir allerdings plötzlich kalt wird, beschließe ich, den Rückweg schon einmal voraus zu gehen. Die Zwei sind ja schnell und haben mich ganz sicher bald eingeholt. Außerdem sollte die Orientierung mithilfe der Tore nicht allzu schwierig sein. Ich bin noch nicht am ersten Tor angekommen, da beschleicht mich schon die Ahnung, dass ich irgendwie zu weit unten gelandet bin. Nur keine Panik, denke ich noch, und dann überkommt sie mich in einem kurzen Anflug! Was, wenn Annika und ihre Freundin an mir vorbei gehen und mich nicht sehen? Vorsichtshalber bewege ich mich wieder zurück bergauf. Mein Blick sucht den Bergrücken ab und wandert dann in Richtung Highway. Gut, ich weiß genau, in welche Richtung ich muss. Wenn ich mich also lange genug oben halte, kann ich mich nicht verlaufen. Das beruhigt mich etwas. Dennoch fange ich an, zu rufen – kann ja nicht schaden. Kurze Zeit später bekomme ich auch Antwort und meine zwei Begleiterinnen tauchen auf. Die Erleichterung ist riesig! Der Rückweg dürfte nun ein Klacks sein im Vergleich zum Aufstieg...
Inzwischen ist es Anfang Oktober und eigentlich wollte Tobi bis zum 9. zusammen mit Bojka hier sein. Es war uns allerdings schon sehr bald klar, dass das nicht klappen kann. Nach und nach verschiebt sich das Ziel nach hinten, denn auch in Schweden will zunächst einmal alles winterfest sein: Unser blaues, kleines Dorfhäusle braucht noch den letzten inneren Schliff, damit wir es im Winter vermieten können. Das andere blaue Haus am Dorfrand braucht zumindest einmal die Grundlage für einen kleineren Anbau: ein Fundament, Bauholz für die Wände. Die restlichen Holzstämme sägt Tobi zu Brettern, um eine Veranda zu bauen. Mir wird fast schwindelig bei all den Aufgaben!
Dass Tobi immer wieder die Frage in den Raum wirft, ob ich zurück fliegen würde, für den Fall der Fälle, hilft nicht sonderlich. Ich finde es zwar schön, mich mit Freundinnen zu treffen, Wanderungen zusammen oder alleine zu machen, aber es gibt auch Dinge, die nicht so ohne Weiteres laufen. Da wäre es doch sehr praktisch, meinen Mann an der Seite zu haben. Beispielsweise wäre es einfach super, ich könnte den Camper wieder in Gang bringen. Unser „Otto“, Baujahr 86, ist ja nur drei Jahre jünger als ich! Außerdem hatte er 6 Jahre lang still gestanden. Jetzt heißt es: Batterien einbauen, Ölstand checken (habe ich schon gemacht, sieht gut aus), Kühlwasser checken, das Getriebeöl bei warmem Motor checken (geht nur mit Batterie), das kaputte Dachfenster ausmessen und bestellen, die Bremsen testen,... Da frage ich mich, ob es nicht einfacher wäre, mir ein Zelt mit Isomatte und Schlafsack zu schnappen. Könnte allerdings schon recht kalt werden, bei teilweise bis zu 7 Grad Minus nachts.
Ob ich mir beweisen soll, dass ich den Camper alleine wieder in Schuss bringen kann? Klingt irgendwie nach einer tollen Herausforderung. Vielleicht. Es wäre eine Möglichkeit, zu sehen, was ich so alles von meinem Allrounder-Mann über Fahrzeuge gelernt habe.
Außerdem fehlen mir Tobi und Bojka natürlich sehr! Ich bin überhaupt nicht gemacht für so eine Fernbeziehung. Mein Mann muss körperlich anwesend sein, Umarmungen auf jeden Fall an der Tagesordnung und so ab und zu kuscheln wäre doch ganz nett.
So vergnüge ich mich weiterhin mit Tagestouren, was auch schön ist. Ausflüge mit meinem zuverlässigen Subaru und der Hütte als Basisstation sind mindestens zweimal wöchentlich auf dem Programm. Schließlich gibt es mehr als genug großartige Wandermöglichkeiten in der Gegend und ich wünschte, ich wäre sehr viel fitter und geschmeidiger. 
Die Fotografie zieht mich ständig nach draußen, denn die Aussichten sind einfach umwerfend und das Licht taucht alles in einen seichten Goldton – vor allen Dingen, wenn es in den Bergen regnet. 
Es ist Zugvogelsaison und auf den Seen sammeln sich viele Wasservögel, speziell an Untiefen, wo es sich gut gründeln lässt. Sie suchen nun all ihre Kräfte zusammen für ihre weite Reise. Dass sie wirklich zweimal jährlich Hunderte bis Tausende von Kilometern zurück legen, auch zum Teil übers Meer, versetzt mich ins Staunen. Ich frage mich manchmal, wie oft sie eigentlich Pause machen, ob sie ältere oder zu schwache Tiere zurück lassen müssen, ob sie überall genügend Nahrung finden, ob sie Erschöpfung, Hunger und Durst plagen. Eine erstaunliche Leistung ist es allemal und die verdient meinen vollen Respekt. Umso mehr komme ich mir mickrig und schwächlich vor, wenn ich mich wegen meiner Reiseangst so hilflos und verlassen fühle. Es ist schon seltsam; so alleine im Busch unterwegs zu sein, macht mir keine Angst. Bären machen mir keine Angst, Flüsse, Berge und Wälder sind einfach nur schön. Menschen, Städte, Flughäfen und Bahnhöfe beunruhigen mich umso mehr. Dabei habe ich bisher bei fast jeder meiner Reisen in irgendeiner Form jemanden gehabt, der mich begleitet hat. Direkt oder indirekt – ein Sitznachbar mit demselben Reiseziel zum Beispiel. Jemand, der mich vom Flughafen abholt. Ein Schaffner, der die beste Verbindung bei ausgefallenen Gleisen kennt, ein junger Mann, der einfach so und unaufgefordert mein Gepäck für mich trägt, eine junge Frau, die zufällig neben mir am falschen Gate wartet, ein Freund, der mich per SMS fragt, an welchem Gate ich sitze und mir dann simst, dass es das Falsche ist...weil er sich im Internet auskennt und per Flugnummer recherchiert hat. Solche guten Dinge sind mir alle schon passiert und trotzdem ist es für mich eine Riesensache, wenn Tobi mir eine Reise mit Auto und Fähre nach Vancouver vorschlägt. Ich sollte das unbedingt machen und ich weiß es auch! Es fühlt sich nur nicht ganz richtig an, ich allein in der Weite Kanadas, auf dem Weg zu einer riesigen Fähre, die tausende von Menschen zweei Tage lang an der Küste entlang bis nach Vancouver bringt. Gleichzeitig ist es aber die Möglichkeit für uns, damit ich im Auto schon unsere Campingausrüstung mitbringen kann – die Schlafsäcke, etwas Geschirr und sonstige nützliche Dinge aus unserem Camper. Außerdem bin ich erst kürzlich alleine mehrmals auf einer Fähre gefahren; es war überhaupt nicht schlimm. Es gab kaum seltsame Menschen und wenn, dann hatten sie kein Interesse an mir. Und schließlich: was soll überhaupt schief gehen? Ich werde ja wohl kaum in eine falsche Fähre steigen und plötzlich in Seattle landen beziehungsweise den letzten Halt verpassen und wieder zurück fahren.Ob allerdings vielleicht das Auto eine Panne hat? Selbst das wäre kein Grund zur Panik; es gibt Werkstätten und sicher auch Abschleppdienste, die ein Auto zur Not auch von der Fähre ziehen. Alles also kein Anlass zur Sorge. Just do it. All right. 
Was mich auch sehr beruhigt sind Menschen, die ich auf meinen Reisen getroffen habe, die genauso ticken wie ich. Vielleicht empfinden sie es nicht ganz so intensiv wie ich, doch auch für sie ist es wichtig, die Reise gut zu durchplanen, alle Koffer, Taschen und Dokumente beieinander zu haben, Fragen zu stellen bei Unsicherheiten, lieber zu früh als zu spät am Flughafen zu sein. Es ist wirklich alles sehr relativ, wie wir Aufregung, Unruhe und Stress wahrnehmen. Ich lasse mich durch diese Gefühle extrem verunsichern. Julia aus der Ukraine allerdings, die neben mir im Flugzeug nach Edmonton sitzt, steht vollkommen drüber. Aus ihrer Sicht sind das alles solche Kleinigkeiten im Vergleich zum Krieg in ihrer Heimat. Das leuchtet mir wirklich ein!Trotzdem fällt es mir schwer, ihre beneidenswert entspannte Einstellung so ohne Weiteres zu übernehmen. Wer weiß, je mehr ich reise, desto leichter wird es mir letztendlich fallen, denke ich. Also, los!
Die Reise hier her war insgesamt betrachtet ganz gut. Wobei ich sagen muss, dass ich den Nachtzug von Jörn nach Stockholm so in der Form nicht mehr wirklich brauche. Von Schlaf kann keine Rede sein! Ich hatte mir ein Schlafabteil für Frauen gebucht. Ganz oben lag schon jemand. Ich war in der Mitte. Ich konnte lange nicht schlafen, da ich immer dachte, dass vielleicht noch jemand zusteigt und unter mir liegen wird und irgendwie wollte ich sicher sein, dass ich die Frau vorher sehen und einschätzen kann. Es war schon seltsam genug, dass die Frau über mir so überhaupt nicht auf mich reagiert hat und einfach nur mit ihrem Handy gesprochen hat. Es war außerdem viel zu warm! Das Fenster war gekippt, der Vorhang zugezogen und die Klimaanlage habe ich auf kälter eingestellt, aber jedes Mal, wenn der Zug angehalten hat, hat sie sich wieder abgeschaltet und sofort stieg die Temperatur wieder. 
Da mein Zug außerdem Verspätung hatte, war mir nun auch nicht mehr klar, wann wir denn in Arlanda ankommen würden. Die Durchsagen waren so brüchig, ich frage mich, wer die bitte verstehen soll! Eigentlich dachte ich auch immer, Arlanda käme nach Stockholm – dem war aber nicht so. Oder war es umgekehrt? In jedem Fall war ich aufs Höchste verunsichert. Daher habe ich vorsichtshalber meinen Wecker viel zu früh eingestellt. Auf der Kartenapp auf meinem Handy konnte ich sehen, wo wir gerade waren. Es war aber schwierig, zu kalkulieren, wann wir ankommen würden, da der Zug viele Stationen hatte und in den Kurven auch mal langsamer fuhr. Wir hatten übrigens Schräglage in jeder Kurve und der Zug hat unglaublich gerattert auf den Schienen. Soviel also zum Thema Nachtzug und Schlafabteil. Wer auf Toilette muss, müsste sich eigentlich so ein Schlüsselkärtchen mitnehmen und das außen in die Türe stecken; sonst kommt derjenige nicht mehr rein. Das wusste ich allerdings erst, nachdem ich in meinem Schlafi und barfuß auf dem Gang stand und die Tür zu meinem Abteil verschlossen war... Also blieb mir nichts Anderes übrig, als zu klopfen und zu hoffen, dass eine der Damen so nett sein würde, mir zu öffnen. Nach einer Weile hat das dann auch geklappt. Peinlich!
Nachdem ich auf der App festgestellt hatte, dass Arlanda tatsächlich vor Stockholm kommt und dass die Verspätung im Internet zu finden aber schlecht zu deuten war, bin ich letzten Endes völlig panisch in meine Sachen geschlüpft und habe mich schnellstmöglich mit meinen Koffern und meinem Rucksack in den Gang begeben. Noch eine Dame kam dort an und ein Herr, der sehr freundlich aussah. Ich habe ihn kurzerhand gefragt, ob der nächste Halt Arlanda wäre. Da meinte er, wir hätten mindestens noch eine Stunde bis dorthin. Kurzerhand hat er mir vorgeschlagen, mit ihm zusammen in die Cafeteria zu kommen und einen Kaffee zu trinken. Gute Idee! Nur war das noch mehrere Abteile bis dorthin und der Nachtzug ist alt, besitzt also keine automatische Schiebetüren. Es gibt vier Türen zwischen jedem Abteil und die sind unglaublich schwierig zu öffnen. Ich war also mordsfroh, dass der Mann vorne draus ging und das Problem mit den Türen hatte. Ich habe mich so lange mit all meinen Sachen hinterher bemüht, so schnell das eben ging, um nicht die offenen Türen zu verpassen. Ungefragt hat der nette Herr sich endlich erbarmt und meinen großen Koffer geschoben. Was für eine Erleichterung! Selbstredend, dass ich ihn anschließend auf einen Kaffee eingeladen habe. Wir haben noch ganz nett geplaudert über unser Leben in Schweden, Tobis und meine Kanadapläne und unser etwas anderes Leben. Der Mann selbst hat zusammen mit seiner Frau, ihre Tochter an die Hochschule begleitet. Diese wollte gerne in Südschweden studieren, dabei lebte die Familie bislang an der Grenze zu Finnland. Interessant war seine Verbindung nach Südafrika und Großbritannien, wo er geboren und aufgewachsen ist. Man könnte sagen, das Leben außerhalb der Box hatten wir gemeinsam. Das Gespräch hat mich sehr geerdet. 

Es war ein Kinderspiel für mich, mich in Arlanda zurecht zu finden. Hier bin ich bereits mehrmals gewesen, alles ist super ausgeschildert und überall sind freundliche, hilfsbereite Mitarbeiter zu finden. Die Centralstation Arlanda befindet sich direkt unter dem Flughafen und es gibt mehrere Fahrstühle, um nach oben zu kommen. Dort muss man lediglich seine Fahrkarte vorzeigen und darf dann den Flughafen betreten. Sofort findet man Beschilderungen, wohin es dann geht. 
Neun Tage später, in Frankfurt, war das komplett anders! Es war, milde gesagt, eine Katastrophe. Ich war auch noch etwas knapp dran, da mein Zug Verspätung hatte. Damit ich dennoch nicht allzu viel Zeit verlor, habe ich in Frankfurt am Hauptbahnhof erstmal kurzerhand die Treppen statt den Umweg um die Gleise herum genommen. Krass mit 20 Kg Gepäck an der Hand und ohne Spurrillen! Ein junger Mann war zur Stelle und hat mir unaufgefordert geholfen. Was für nette Menschen es auf der Welt gibt! Unfassbar. Schnaufend und rennend habe ich den frühst möglichen Anschluss doch noch erwischt. Allerdings kam der Schreck dann am Flughafen. Ich war ja nicht am Haupteingang angekommen sondern irgendwo seitlich. Dort war eine riesige, uralte Anzeigetafel, die alle Flüge nur bis 10:55 angezeigt hatte, meiner ging aber erst um 11.05 – dabei war es aber schon 8:35 und für einen internationalen Flug war ich da ja schon recht knapp dran. Glücklicher Weise wusste ich, dass ich nach der Condor Ausschau halten musste und die fliegt laut Internet im Normalfall am Terminal 1. Vorsichtshalber habe ich aber noch jemanden gefragt, der dort stand und sich auszukennen schien. Er hat meine Flugnummer ein sein Handy eingegeben und zu meinem Schreck keinen Flug gefunden. Doch es hat sich herausgestellt, dass er die Leerzeile zwischen den Buchstaben und Nummerngruppen vergessen hatte. Ein Glück! Sofort wusste ich mein Gate. Allerdings war das ja auch wieder Blödsinn, denn dort angekommen, wie klar, musste ich ja zunächst mein Gepäck am Schalter aufgeben und mir ein Ticket holen! Also schnell querfeldein in Richtung Schalter gerannt. Immer wieder musste ich fragen, denn die Beschilderungen waren einfach völlig daneben. Am Haupteingang vorbei wurde mir auch klar, warum! Ich war einfach von der völlig falschen Seite aus am Flughafen angekommen und im Normalfall möchte jeder in die entgegengesetzte Richtung. Wie auch immer, das Gerenne hatte noch kein Ende. Mein Gate war dann nach dem verrückten Security Checkin, wo ich noch schnell meine Wasserflasche in einem Zug leertrinken und meine Stiefel ausziehen musste, irgendwo in der hintersten Ecke ganz unten. Dort kam ich mir ein wenig verloren vor; offenbar war ich die Erste. Später hat sich dann eine nette junge Frau neben mich gesetzt, während ich gerade telefoniert habe. Ich bin ja an meinem Geburtstag geflogen und habe daher noch ein paar Anrufe bekommen. Unter anderem war auch Alex darunter, den Tobi und ich zusammen mit seiner Frau mal in Kanada kennen gelernt hatten. Seitdem sind wir in Kontakt geblieben. Wahrscheinlich hab ich es erwähnt, die Beiden waren die Ersten, die uns in Schweden besucht haben.
Ich hab also Alex erzählt, dass ich über Edmonton fliegen muss und der Mann am Schalter habe mir erklärt, ich solle mein Gepäck abholen und sofort zum Zoll gehen, dort würde ich dann mein Ticket bekommen und ich müsste nicht erneut durch die Security. Seltsame Ansage! Kam mir völlig spanisch vor. Alex hat mir beigepflichtet. Naja, nach dem Gespräch allerdings hat sich herausgestellt, dass meine Nebensitzerin ebenfalls in Edmonton in die Maschine nach Whitehorse umsteigen wollte und genauso ratlos war, wie das mit dem Gepäck funktionieren sollte. Wenigstens waren wir nun zu zweit und haben abgemacht, in Edmonton aufeinander zu warten. Franziska war total nett und was auch super war: wir konnten nun abwechselnd zur Toilette und das Gepäck jeweils beim Anderen lassen. Noch eine ganz witzige Randgeschichte: Dort unten am Gate stand eine Frau, die offenbar höchst durcheinander war und plötzlich wie wild auf Franziska eingeredet hat. Offenbar hatte sie eine Frage, konnte aber nur spanisch sprechen. Es schien einfach unmöglich, der guten Dame zu erklären, dass sie zwar genau richtig war, aber ihr Flug ja erst um 13 Uhr gehen würde! Sie sollte daher unbedingt auf gar keinen Fall in den nächsten Flieger steigen. Minutenlang waren wir gut damit beschäftigt, der Frau das irgendwie klar zu machen. Währenddessen kamen im Hintergrund mehrere Durchsagen, die wir nur mit halbem Ohr hörten. Schließlich dachten wir, es sei wohl besser, selbst einmal durch das Gate zu gehen. Pustekuchen! Die Frau hat mein Ticket angeschaut und mich nach Rückflugticket und EsTA gefragt. ETA habe ich, meinte ich und fing an, leicht panisch meine Rückflugtickets aus der Tasche zu kramen. Doch da hat sich die Frau ganz schnell korrigiert: „No, no, now I see! You are not flying to San Francisco. You are at the wrong gate. Your Gate has changed!“ Auch nicht schlecht! In letzter Minute sind Franziska und ich also daraufhin quer durch den Frankfurter Flughafen gerannt – für mich das dritte Mal an dem Tag und mir war so unglaublich warm...
Edmonton war dagegen ein Kinderspiel. Nach der Pilotendurchsage kurz vor der Landung war klar: wir müssen nur zur Infostelle und dort wird uns alles Weitere gesagt. Direkt nach der Ankunft stand da ein Mann, der uns den Weg gezeigt hat, und gleich um die Ecke haben wir die Infostelle gefunden. Das Gepäck musste niemand abholen und die digitale EtA-Bestätigung mit Pass war ein Kinderspiel. Einfacher gfeht's nicht! 
Aber zurück zur Gegenwart. Nach dem gestrigen Telefonat mit Tobi ist nun klar geworden: er braucht dringend mehr Zeit und ich werde noch einmal länger warten müssen. Aber ich warte nicht wirklich, denn die Abenteuer sind alle direkt vor meiner Haustür! Jeden Tag erlebe ich etwas und dem Schwager sei Dank geht das Brennholz noch nicht zur Neige. Sollte mein Mann allerdings in einem Monat immer noch nicht da sein, müsste ich dann doch mal mit dem Motorsägenkurs beginnen...

Ich denke mal, der Satz fasst meine Situation ganz gut zusammen: Ich genieße einerseits meine Unabhängigkeit, komme dabei an meine Grenzen, die ich gleichzeitig nutzen kann um zu wachsen.  

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