Jedes Ereignis, alles auf der Welt hat seine Zeit.
Prediger 3,1
Viele unserer Aktivitäten im Oktober sind weniger interessant. Viel spannender ist, was außerhalb unserer Pläne passiert. Neben
- Werkstatt einrichten
- Altes Schaffell aufbessern
- Außengehege der Hühner sichern
- Brennholz wettergeschützt unterbringen
- Einen Trinkwasserfilter einbauen
nehme ich am Zero-hunger-run teil. Nicht, dass ich nun damit angeben möchte, dass ich was Gutes getan habe, nein, das nicht. Eigentlich ist es nämlich gar nicht gut, dass ich daran teilnehme, statt Tobi bei den so viel „dringenderen“ Aufgaben zu helfen. Aber ich überlege Folgendes: Den Zero-hunger-run gibt es dieses Jahr nur noch in dieser einen Oktoberwoche. Tobi helfen kann ich danach immer noch. Und ich bereue es nicht. Aleesha und ich erforschen dadurch neue Wege und entdecken wunderschöne Orte. Abends sind wir zwar platt aber auch stolz und glücklich. Soviel zum sinnvollen Zeitmanagement…
Manchmal erfordern auch sehr außergewöhnliche Aufgaben unsere Zeit, die mega außerplanmäßig und völlig ungewollt passieren; wie beispielsweise der Riss im Wasserrohr. Tobi wollte sich gerade eigentlich die Zeit für eine Dusche nehmen und ich war bereits auf dem Sofa (also, es war schon Abend und natürlich war ich platt vom Wandern…), da entsteht plötzlich dieser Riss im Wasserrohr, aus dem ein kleiner, aber starker Wasserstrahl herausspritzt! Glücklicherweise hat Tobi das bemerkt, als er noch vor dem Duschen nach dem Ofen schauen wollte.
Nun ja, statt einer warmen Dusche für Tobi gab es nun einen kalten Wasserstrahl für uns beide… natürlich haben wir uns da nicht entschieden, unsere wertvolle Zeit mit einem wohlverdienten Feierabend zu verbringen sondern wir haben ganz schnell alles daran gesetzt, diesen Riss zu flicken. Denn: das Wasser einfach abdrehen funktioniert leider nicht. Ich halte also so gut ich kann meinen Zeigefinger auf den Riss gedrückt und helfe dabei mit dem Daumen nach, bis der Finger blau wird. Dann wechsle ich zum Mittelfinger, anschließend zum Ringfinger und wieder von vorne zum Zeigefinger. Derweil sucht Tobi ein breites Einmachglas-Gummi aus der Küche und eine Schelle an einem Ort, der gefühlt einen Kilometer entfernt liegt. Als er zurückkommt, sind alle meine Finger schön bläulich und meine Kleidung ist durchnässt von der Zeit, in welcher ich von einem Finger zum andern gewechselt habe. Zu meinem Erstaunen schafft es Tobi, den Riss mithilfe seiner Utensilien dicht zu bekommen, bevor er selbst völlig nass ist. Und schließlich kommt er dann doch noch, der Feierabend.
Inzwischen stehen wir beide früh auf (also nicht nur ich) und das trifft sich wirklich gut, da es bereits früher dunkel wird (eigentlich um 16:30 Uhr) und gleichzeitig früher hell. Wie das geht? Die Zeitverschiebung macht es möglich. Dadurch wird es von einem Tag auf den nächsten um 15:30 Uhr dunkel und bereits um 6:30Uhr hell.* Entsprechend wollen wir gerne nach dem Frühstück in den Tag starten. Doch eines Morges kommt uns tatsächlich eine Herde Rentiere dazwischen, die sich einfach so in unserem Garten niederlässt. Und nicht nur das, etwas später zieht dieselbe Herde um, fast direkt vor unsere Haustür! Klar, dass wir da erst einmal viele Fotos machen und die Aussicht genießen, bevor wir endlich loslegen.
Mitte Oktober ist der erste Schnee gefallen und es gab vorübergehend bis zu Minus 16 Grad. Entsprechend arbeiten wir im Haus weiter und alles, was draußen angefangen wurde, bleibt liegen, bis es 10 Tage später wieder taut.
Mitte Oktober hat auch jemand gemeint, wir würden machen was wir wollen. Ich nehme das als Kompliment auf und es stimmt – eigentlich. Denn auch wenn wir unser Leben und die damit verbundenen Aufgaben selbst gewählt haben, so gibt es doch Dinge, die wir eigentlich nicht machen wollen, die wir aber trotzdem tun müssen. Wie beispielsweise aufs Rathaus gehen und eine Personennummer beantragen. Oder den Schimmel aus dem Keller entfernen. Das Gute ist aber, dass wir uns selbst dafür entschieden haben und unsere eigenen Chefs sind.
Was sich nach wie vor nicht bei uns geändert hat: Wir nehmen uns Zeit für schöne Momente, die in Erinnerung bleiben, wir nehmen uns spontan und herzlich gerne Zeit für Freunde und Familie (inzwischen meist via Skype oder Telefon) und wir nehmen uns Zeit für unsere alte Aleesha, die vielleicht gar nicht mehr so viel Zeit mit uns verbringen wird hier auf dieser Welt. Schließlich ist es nicht selbstverständlich, dass wir einander haben. Niemand weiß, was kommt und wann er diese Welt verlassen wird. Und was zählt dann am Ende?
*Die Zeitspanne, in der wir Tageslicht bekommen, nimmt bis zum 21. Dezember hin weiter ab. Es wird täglich ein paar Minuten später hell und früher dunkel, bis wir wahrscheinlich nur noch etwa sechs Stunden Tageslicht haben werden – allerdings wird die Sonne dann den Horizont nicht mehr übersteigen. Das liegt daran, dass wir so nah am Polarkreis sind. Das Gute daran ist: Nach dem 21. Dezember nimmt das Tageslicht stetig wieder zu, bis es irgendwann einmal gar nicht mehr dunkel wird. Am 21.06. verschwindet die Sonne dann nicht mehr am Horizont.
Tierische Besucher