Kanada, oh Kanada – oder: Loslassen und sich freuen

„Wie sind eure Pläne für Kanada?“ „Wann fliegt ihr denn nach Kanada?“ „Wie sehen eure Kanadapläne aus?“
„Können wir euch an Pfingsten noch in Schweden besuchen oder seid ihr dann schon in Kanada?“

Kanada, Kanada, Kanada…dieses Wort habe ich im letzten Monat sicherlich zwanzig mal gehört oder ausgesprochen und war dabei sehr frustriert.
Dieses Land unserer Träume, das vorige Woche plötzlich wie ein hohles Wort in meinem Ohr klang; ein Land weit, weit weg, unerreichbar, am Ende des Universums wie etwa Nimmerland oder Melmak oder etwas in der Art. Um es kurz zu machen: es gibt keine Pläne, denn es ist nicht planbar. Ab und zu schauen wir auf der Internetseite der Kanadischen Einwanderungsbehörde, was unsere Möglichkeiten derzeit sind (es gibt noch keine) und schauen, welche Fluglinie (die Condor ist immernoch die Einzige) überhaupt direkt nach Whitehorse (ohne Zwischenstopps wegen Aleesha) fliegen würde und wann (frühestens Ende Mai).
Dann konzentrieren wir uns wieder auf das, was uns im Moment zu Füßen liegt: Nordschweden. Ähnliches Vorgehen hilft uns im Umgang mit den Medien: ab und zu
bringen wir das Aktuellste und Wichtigste in Erfahrung und dann schauen wir wieder auf unsere direkte Umgebung. Nichts ist dabei so heilsam, wie unsere Wanderungen durch die Natur.

„Die Schwierigkeiten bedrängen uns von allen Seiten, und doch werden wir nicht von ihnen überwältigt. Wir sind oft ratlos, aber wir verzweifeln nicht.“ 2.Kor.4,8

Es ist gut, das Vergangene des Alten Jahres bewusst hinter sich zu lassen. Nicht nachzudenken, was wir verpasst haben, was wir trotz Planung nicht erlebt haben.
Solche Gedanken sind viel zu negativ und halten uns davon ab, uns auf das Hier und Jetzt einzulassen. Genauso die Gedanken an das, was passieren könnte – auch diese
Denkweise würde uns davon abhalten, unser Leben hier sinnvoll zu gestalten und zu genießen. Beispielsweise hätte ich keine Hühner angeschafft, wenn ich ständig an unsere
eventuelle Abreise denken würde. Mit diesem Hintergedanken würde ich mich auch nicht auf das Gärtnern in Nordschweden einlassen, geschweige denn auf den Ausbau der
Hütten auf unserem Grundstück. Es tut gut, Aufgaben zu haben und produktiv zu sein; es bringt mich auf gute Gedanken. Ich freue mich über alles, was wir hier haben
und auf das, was noch kommen mag. Riesige Vorfreude auf Kanada überkommt mich dadurch und mein Herz macht Sprünge, wenn ich daran denke, dass wir irgendwann dort ankommen werden. Ich habe mich mit dem Gedanken angefreundet, dass wir jetzt im Moment genau am richtigen Platz sind.

Es ist wunderschön hier. Nein, es ist nicht Kanada, es ist auch nicht dasselbe, es ist anders aber es ist wirklich wundervoll. Es gibt keinen Grund, unzufrieden zu sein: wir haben eine Menge Freiheit, wir haben so viel Einsamkeit, wie wir suchen und wenn wir die Gegend erkunden wirkt die Natur stellenweise genauso wild wie wir das vom Yukon her kennen. In jedem Fall gilt fast unsere ganze Aufmerksamkeit im Januar der Natur, die uns umgibt. Die Schneewelt um uns herum ist wie Balsam für unsere Seele. Es ist, als ob Gott uns einen wunderschönen Erholungsort geschenkt hat, in dem wir Frieden und Trost finden.
Andererseits lauert dort draußen das Abenteuer und so passiert es oft, dass ich mit einer Mischung aus Ruhe und Spannung unterwegs bin, wenn ich mit meinen Schneeschuhen neue Wege durch Wälder und über Ebenen pfade. Obwohl wir inzwischen über mehrere Wochen Minusgrade zwischen 10 und 20 Grad Celsius hatten, bleiben wir sehr vorsichtig mit dem Eis.

Tobi, Aleesha und ich unternehmen nun häufiger Schneeschuhwanderungen zu „unserem See“. Wir nennen ihn so, weil er nur 2 km von uns weg mitten im „Busch“ ist und wir
noch niemanden sonst dort gesehen haben. Heute allerdings hat ein Otter am gegenüberliegenden Ufer aus dem Schnee geschaut und kam neugierig zu uns rüber.
Wir waren ganz aufgeregt – vor allem Aleesha. Wir mussten sie aber nicht festhalten, sie traut sich nicht aufs Eis. Der Otter hat sich dann auch nicht ganz zu uns hergetraut, aber er hat uns mit ausreichendem Abstand beäugt und beschnuppert. Schließlich hat er sich wieder zurückgezogen und wir mussten den Rückweg antreten, da Aleesha vor Kälte gebibbert hat. Sie ist ganz tapfer heute mitgelaufen; wenn eine feste Schneeschuhspur da ist, schafft sie es einiger Maßen. Ansonsten sinkt sie zu sehr ein und da sie nicht mehr die Jüngste ist, wird ihr das schnell zu anstrengend. Wir waren also auf dem Rückweg und Tobi hat die Spur des Otters im Schnee angeschaut, die durch einen Wasserlauf Richtung See führt. Und prompt kam der Otter wieder auf Tobi und Aleesha zu! Er kann die Beiden nicht gesehen haben, aber er hatte es plötzlich ganz schön eilig, an ihnen vorbei zu kommen. Als er auf ihrer Höhe war, hat er sie bemerkt, kurz innegehalten, zu ihnen rübergeschaut und ist dann schnellstmöglich durch den Schnee davon.
Tobi konnte alles auf Video aufnehmen. Was für ein goldiger kleiner Fratz!

In letzter Zeit besuchen weniger Maisen das Vogelhaus, dafür sitzt jeden Morgen ein Eichelhäher dran oder drunter und futtert an einem Maisenknödel, den er sich aus dem Häuschen geholt hat. Er scheint sich sehr an uns gewöhnt zu haben, denn er lässt sich in aller Ruhe fotografieren. Ein Grünspecht kommt auch ab und zu, dieser ist aber deutlich
scheuer.

Was die Elche betrifft, so lassen diese sich leider viel zu häufig auf der Straße blicken, statt im tiefen Schnee im Wald. Dadurch kommt es leider vermehrt zu Unfällen.
Das Nordlicht gab es bisher noch recht selten, da wir nur sehr wenige Nächte mit klarem Himmel hatten – ein Umstand, der ungewöhnlich für diese Gegend ist. Umso faszinierender zeigt sich allerdings der Mond in letzter Zeit. Mal intensiv leuchtend, mal riesig und milchig-weiß, mal knallorange. Ein tolles Fotomotiv!

Im Übrigen werden die Tage wieder länger: heute, am 2. Februar, ist gegen 08:30 Sonnenaufgang und gegen 15:20 Sonnenuntergang. (Man rechnet die jeweilige eine Stunde für die Dämmerungsphasen nicht hinzu.)
Das ergibt eine Tageszeit von etwa 6 Stunden und 50 Minuten (exklusive Dämmerung ) und täglich verlängert sie sich um weitere 7 Minuten. Mitte Februar haben wir dann bereits über 8 Stunden Tageslänge und monatlich kommen mehr und mehr Stunden dazu.

„Ein fröhliches Herz macht den Körper gesund; aber ein trauriges Gemüt macht kraftlos und krank.“ Sprüche 17,22

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