Die Kunst der Balance

Der Monat Juli hat es in sich! Wir erleben so Vieles, dass ich es kaum verarbeiten kann. Als ich die Fotos für unseren Blogeintrag durchgehe, kann ich es nicht fassen,
dass all diese Abenteuer und Aktionen in nur einem Monat passiert sind. Auch dafür ist das Schreiben dieses Blogs eine gute Sache: für das Reflektieren über alles Erlebte und Geschaffte, für das Nachsinnen und die Erinnerung.

Hier ein Überblick:

Die Aufarbeitung von Brennholz

Wunderschöne Ausflüge in naher Umgebung

Eine Tagesreise mit neuen Freunden zum Polarkreis

Der Ausbau unserer Blockhütte

Aleesha und die Kreuzotter

Die Entdeckung der Moltebeere

Möbelrestauration und Einrichtung der Blockhütte

Erdbeerernte beim Biobauern

Herrichten eines Klohäuschens mit Trenntoilette

Die Ankunft unserer ersten Gäste

Wenn es dir gut geht, dann freu dich über dein Glück, und wenn es dir schlecht geht, dann bedenke: Gott schickt dir beides, und du weißt nie, was die Zukunft bringen wird. Prediger 7, 14

Auch wenn es uns vielleicht manchmal nicht passt, so müssen wir uns letztlich dazu überwinden, den Lauf der Dinge zu akzeptieren. Alles Andere wäre wohl ungesund. Wir müssen das Leben nehmen, wie es kommt, mit allem, was dazu gehört. Und häufig passt es mir nicht, abends nach sieben noch ranzuklotzen aber es muss und dann sage ich mir: mach es, genieße es, jetzt ist die Zeit dafür und es kommen auch wieder ruhigere Tage. Alles zu seiner Zeit…

…Die Balance zwischen Arbeit, Ruhe und Erholung…

Tobi und ich arbeiten hart in diesem Monat. Es gibt Wochen, in denen wir keine Zeit finden für Ruhe und Erholung – in solchen Wochen powern wir durch, bis wir am Ziel angelangt und völlig erledigt sind, beziehungsweise, bis Sonntag ist. Ehrlicherweise fällt unser Ruhetag allerdings nicht immer auf den Sonntag; manchmal verlegen wir ihn auf Montag oder Samstag – je nach Lage. Wir achten sehr auf diese Ausgeglichenheit und auf eine gute Balance, sofern es möglich ist. Oftmals schnappe ich mir am Abend mein Fahrrad, um am See allein zu sein und abzuschalten. Oder wir fahren gemeinsam mit dem Auto und Aleesha los ins Abenteuer oder treffen uns mit Freunden.

…die Kunst, Altes zu erhalten und neu zu gestalten…

Die intensivste Zeit waren die drei Wochen vor der Ankunft unserer ersten Gäste. Freunde aus Deutschland sind angekommen, um ein paar Tage mit uns im schönen Nordschweden zu verbringen. Sie sind derzeit in Wohnwagen und Blockhütte untergebracht. Unsere kleine Blockhütte wurde 1888 gebaut. Die ersten Schritte zur Erhaltung dieses historischen Schmuckstücks hatten wir bereits im vergangenen Jahr unternommen: wir haben die Außenwand am Fundament von Erde und Feuchtigkeit befreit. Irgendwann im Frühjahr war auch der Elektriker da gewesen und hat Kabel für Steckdosen und Lampen gelegt. Vor gut drei Wochen ging es dann richtig los: anfangs haben wir das Fundament mithilfe eines Wagenhebers wieder ins rechte Lot gerückt. Damit waren die Grundlagen für den Ausbau gelegt – zumindest hatten wir das gedacht. Begonnen haben wir mit dem Aussägen der Fenster; eine große Erleichterung für die übrige Arbeit im Inneren der bislang düsteren Hütte. Das einzige Licht konnte vorher nur durch die Tür und zwei winzige Öffnungen im oberen Stock eindringen. Wir haben außerdem beschlossen, die Treppe anstatt an der Südwand rüber an die Wand rechterhand des Eingangs zu verschieben, da wir dort keine Fenster eingebaut hatten. Daher mussten wir zunächst die Dielen im Obergeschoss neu ausrichten, so dass die Öffnung für die Treppe richtig gelegt war. Anschließend hatten wir Hilfe beim Parkettlegen im Obergeschoss, beim Fenstereinbau und beim Restaurieren einiger alter Möbelstücke. Zum Teil fanden wir diese in unserem roten Schwedenhaus, einige waren in der Scheune bei unserem Ferienhaus und manche bekamen wir günstig im Loppis; so heißen hier die Secondhandläden. Die große Überraschung kam, als wir ein paar Dielen im Erdgeschoss ausbauen mussten, um Wasser- und Abwasserrohr zu legen. Dabei hat Tobi entdeckt, dass die Balken teils morsch, teils völlig verfault waren. Damit war klar, dass wir drei weitere Arbeitsschritte benötigen, mit denen wir nicht wirklich gerechnet hatten: die gesamten Dielen ausbauen, die schlechten Balken durch neue ersetzen und die Erde dazwischen entfernen. Allerdings ermöglichte uns das auch die gleichzeitige Tieferlegung des Bodens. Dadurch konnten wir widerum 13cm mehr Deckenhöhe gewinnen, was den unteren Teil der Hütte sehr viel wohnlicher macht. Der Hüttenausbau hat sich anfangs seltsam angefühlt: ein 132 Jahre altes, tolles Bauwerk mit der Motorsäge auseinanderzunehmen, hat uns Überwindung gekostet. Aber wir denken uns, dass es an der Zeit ist, die Hütte für unsere heutigen Zwecke umzugestalten und das Resultat beweist, dass sich die Arbeit gelohnt hat. Mit den Details möchte ich euch nicht weiter langweilen – daher seht ihr nun die Einzelheiten auf Fotos.

Inzwischen sind drei Mädels in unsere Gästehütte gezogen und fühlen sich sehr wohl. Zur Begrüßung kamen am Morgen nach ihrer Ankunft auch schon die Rentiere vorbei!

…das gehört zum Leben dazu: das Lachen, das Weinen, Krank sein und gesund werden…

Die gesamte Zeit dieser intensiven Phase über sind uns mehr und mehr Menschen begegnet oder näher gekommen; entweder weil sie uns oder weil wir ihnen geholfen haben oder weil wir einfach gemeinsam gegrillt und Zeit miteinander verbracht haben. Sogar der Nachbar kam mit seiner Frau vorbei und hat fünf Fische mitgebracht, die sie an dem Tag geangelt hatten. Einfach mega!
Auch Wiebke und ihre Familie haben wir sehr ins Herz geschlossen. Sie sind Anfang des Monats aus Rostock in ihrem neuen Zuhause in Nordschweden angekommen und hatten Wiebkes Papa mit dabei. Die beiden kamen eines Morgens kurz bei uns vorbei, als sie auf dem Weg zum Polarkreis nach Jokkmokk waren und – haben mich spontan einfach mitgenommen! Statt Tobi beim Holzstapeln zu helfen, wie die Tage zuvor, durfte ich einen Tag Urlaub machen. Es war ein herrlicher Tag mit vielen Rentieren auf der Straße, wunderschönen Seen und Flüssen, einem gar nicht mal so verschlafenen Jokkmokk mit gutem Essen und – vor allem: mit jeder Menge Spaß. Die Fahrt ist lang aber wir unterhalten uns prima. Ein Radio mit Internet gibt es auch und so sitzen wir auf dem Heimweg vergnügt zu dritt vorne, unter meinen Füßen Lilly – die kleine, putzige Hundedame – und trällern bei den Beatles und anderen Oldtimern mit.

Schade, dass Aleesha an dem Abend meiner Rückkehr mit furchtbar geschwollenen Lefzen am Leiden war. Zunächst dachten wir nur an einen Insektenbiss; allerdings war ich sehr beunruhigt, als die Schwellung anfing unter den Hals zu wandern und habe leicht panisch bei unserer Freundin Beate angerufen. Sie konnte mich etwas beruhigen und versprach, am nächsten Tag vorbei zu kommen. Ich habe trotzdem die Nacht bei Aleesha im Wohnzimmer auf der Couch verbracht, habe ihr fleißig gefrorenes Hackfleisch gegeben und den kalten Wickel erneuert. Am nächsten Tag war ich beim Biobauern um die Ecke, um bei der Erdbeerernte zu helfen und ein paar der leckeren Früchte zu ergattern. Inzwischen hatte Tobi die Ursache für Aleeshas Leid gefunden – ich hatte es schon irgendwie vermutet: eine tote Kreuzotter lag verbissen unter dem Hänger. Und tatsächlich konnte uns Beate am Abend die Bissspuren in Aleeshas Maul zeigen – es waren gleich mehrere. Vermutlich hatte Aleesha versucht, die Schlange zu zerbeißen, die sie wahrscheinlich versehentlich zuvor beleidigt hatte. Dabei hat sich diese offenbar heftig gewehrt und mehrmals zugebissen. Da ich so schockiert war, bekam ich sofort Bachblütentropfen von unserer Freundin; zur Beruhigung; Aleesha bekam eine Behandlung, mehrere Medikamente und Zitronenwasser mit ins Trinken. Drei Tage lang hat sie nur geschlafen und ab und an etwas getrunken. Wir sind sehr beeindruckt, wie gut Aleesha trotz ihrer 16 Jahre sich von den giftigen Bissen erholt hat, und natürlich sind wir heilfroh, dass sie es überstanden hat.

Noch etwas ist überstanden: die Parasitenplage der Hühner. Endlich! Es wurde wirklich Zeit. Ich hatte schon richtig mit ihnen gelitten. Sie bekommen wieder Federn und sehen sehr viel schöner aus. Das Geheimnis lag im Heu: wir hatten es falsch gelagert, wodurch es mit Milben befallen worden war. Dummerweise habe ich mir so die Krabbeltiere nach jeder Reinigung wieder neu in den Stall geholt und mich am Ende gewundert. Das Heu haben wir inzwischen entsorgt. Jetzt bin ich sehr froh und erleichtert, dass es wieder aufwärts geht.

….die Balance zwischen Trubel und Einsamkeit…

Eines Sonntags haben uns unsere Freunde Sanna und Andreas zu sich in ihr Ferienhaus eingeladen. Das Feriendorf war früher die richtige Heimat der Familie gewesen! Es liegt auf einer Halbinsel. Das alte Schulgebäude mit Backhaus kann inzwischen gemietet werden. Dadurch durfte ich einmal so backen, wie meine Oma das früher gemacht hat – allerdings gab es kein Bauernbrot sondern Steinofenpizza. Die leckerste Pizza, die ich jemals gegessen habe! Die Kindheitserinnerungen an meine lieben Großeltern, der gigantische Ausblick auf den Abendhimmel, der sich im See spiegelt, die guten Gespräche bei Kaffee und Kuchen mit unseren Freunden, lachende Kinder und ein kleiner, verirrter Hase im Garten, Tobis Fahrt auf der Crossmaschine unserer Freunde, das alles hat diesen Nachmittag unvergesslich für uns gemacht.

Sanna weiß sehr viel über die Moltebeere: in welchen Umgebungen sie wächst, was sie zum Früchte bilden braucht und wann sie am besten geerntet wird. Hier nennen die Menschen sie Hjotron oder auch das Gold Lapplands. Die wolkenförmigen, gelblichen Beeren schmecken leicht herb mit einem Hauch von Honig, Zitrus- und Vanillegeschmack. Am besten schmeckt sie, wenn man sie wie heiße Himbeeren mit Vanilleeis zubereitet. Sie ist sehr begehrt und es kommen nicht nur Einheimische zum Pflücken; auch ganze Trupps von Beerensammlern aus ganz Europa machen sich auf, die Moltebeere zu suchen, da sie so teuer gehandelt wird. Das ist auch der Grund, weshalb viele Einheimische ein Geheimnis um gute Sammelplätze machen. Nicht so Sanna; sie gibt Wiebke und mir eine Idee, in welchen Gebieten die Moltebeere am besten wächst und da ich die Gegend bereits etwas kenne, nehme ich Sanna und Wiebke mit und gemeinsam suchen und finden wir ganz viele Moltebeeren. Sanna erklärt mir auch, weshalb auf unserem Grundstück lediglich die Blätter der Beeren zu finden sind: wahrscheinlich kam der Regen zur falschen Zeit. Die Pflanzen reagieren extrem auf eine zu kaltnasse bzw. zu heiße und trockene Witterung.

So sehr wir unsere Freunde lieben und ihre Gesellschaft genießen und schätzen, so ist es uns dennoch wichtig, zwischendurch nur für uns zu sein. Einen wunderschönen Tag hatten wir, als wir an eine etwas versteckte lauschige Ecke am Fluss gefahren sind. Dort haben wir geangelt, die Seele baumeln lassen und an Kanada gedacht, da die Gegend mit den zerklüfteten Felsen, den Stromschnellen, den kleinen Fichten und der Bucht uns so sehr daran erinnert. Wir haben den nächsten See mit dem Kanu erkundet, sind auf einer kleinen Insel gelandet und ein wenig schwimmen gegangen. Wenn wir in der Natur für uns sind, tanken wir wieder auf. Egal, was zu Hause für Aufgaben warten, egal, welche Herausforderung auf uns oder auf Freunde von uns zukommen – hier draußen wird das alles relativ. Wir können ganz abschalten und vollkommen im Hier und Jetzt sein – dafür sind wir sehr dankbar.

Nun, da unsere Freunde da sind, können wir uns ein wenig zurücklehnen und die Zeit erstmal genießen, bevor wir gemeinsam mit ihnen weitere Projekte starten. Wir brauchen ein wenig Zeit, um wieder Kräfte zu sammeln, damit wir bald von Neuem loslegen können. Der Sommer ist schließlich kurz und die Nächte auch und viel zu schön sind die Tage, um zu schlafen.

Hier noch ein paar fotografische Einblicke zu unserem Sommer in Schweden:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert