Winterende und ein neuer Frühling

„Darum: ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen; siehe, es ist alles neu geworden!“ 2. Korinther 5, 17

Das ist mein elfter Blogeintrag – inzwischen sind wir also schon 10 Monate hier. Kaum zu glauben: nur noch acht Wochen und wir haben ein ganzes Jahr in Nordschweden verbracht!
Dabei bin ich lange Zeit geistig und seelisch immer noch nicht komplett angekommen. So wache ich eines Morgens nach einem Traum auf und weiß plötzlich nicht, dass ich bereits hier bin! In meinen Träumen leben wir oft noch im Hotzenwald und arbeiten an der Schule in Waldshut. Als es mir dann dämmert, so langsam, während ich die Augen öffne, denke ich: „Wie toll! Wir sind tatsächlich schon da; wir sind in Nordschweden!“ Wir haben alles hinter uns gelassen: das große, schöne Haus, die Arbeit, Nachbarn, Freunde, Familie,…und haben so viel Neues gefunden: den Hof, neue Freunde, einen Wald, Seen,… und natürlich viel, selbstständiges, freies Arbeiten. Wir haben unser altes Leben in Deutschland aufgegeben und beginnen in Schweden auf eine ganz neue Art.
Ich habe jetzt schon mehr das Gefühl, dass ich ganzheitlich angekommen bin und finde, dass ich eine neue Aufgabe brauche. Zwei Welpen! Nein, doch nicht, das wäre nichts für meinen alten Kater Bonnie – das bekäme ihm gar nicht gut. Also doch Ziegen? Oder Gänse? Hühnerküken?…der Garten! Das ist es. Das Vorziehen muss ich noch an Menge ausbauen, dann sollte dringend ein Frühbeet her, das Gewächshaus, eine Kräuterschnecke… Es ist ein neuer Frühling mit vielen, neuen Aufgaben – allen voran: Brennholz machen.

Neue Vorbilder

Anfang Mai waren wir zu Besuch bei Simona und Bernd. Das Geniale daran ist: Sie führen einen Lebensstil, den Tobi und ich uns wünschen! Sie haben Erfahrung mit Ziegen, sie stellen eigene Ziegenmilchprodukte her, sie gärtnern und halten Hühner. Genau wie ich macht Simona ihre Seife selbst und nicht nur das: sie macht auch Putzseife und Deodorantcreme selbst.


Als wir Simonas und Bernds Haus betreten, fühlen wir uns wie in einer heimeligen Hütte, wie wir sie oft in Kanada gesehen haben. Alles ist klein und schnuckelig, die Möbel sind zu einem großen Teil selbst hergestellt oder neu aufbereitet und wirken dadurch wunderschön rustikal. Die offene Küche und das Wohnzimmer mit der Glaswand hin zum Schlafzimmer und dem Kamin – das alles in Kombination mit einem wunderbar warmen Blaugrün und einer Blumentapete sowie jede Menge Zimmerpflanzen – macht die Atmosphäre zu einer heimeligen Wohlfühloase in schwedischen Flair. Wieder einmal wird mir bewusst: weniger ist mehr. Weniger Raum kann so viel gemütlicher sein als ein riesiges Haus.

Von den Ziegen bin ich sofort hin und weg! Zwei Ziegen, ein Bock und drei junge Ziegen (ebenfalls zwei Ziegen und ein Bock), meckern um die Wette und sind mit ihren großen, neugierigen Augen und ihrer Knabberei überall – unter anderem auch an meinen Schuhen und Haaren – einfach nur zuckersüß. Weil wir sogar beim Füttern und Melken dabei sein dürfen, bekommen wir einen kleinen Einblick in die artgerechte Haltung der Ziegen. Das bestätigt in jedem Fall, dass wir für die Ziegenhaltung wirklich ein paar Jahre länger in Schweden bleiben müssten, was aber widerum nicht zu unserem Traum von Kanada passt.
Dieser Nachmittag bei Simona und Bernd war für mich ein tolles Erlebnis. Wir nehmen eine Menge an Wissen und Ideen mit nach Hause. Einfach schön, dass wir die Beiden kennen lernen durften.

Neue Unterstützung

Als ich begonnen habe, diesen Blog zu schreiben, war es anfangs lediglich die Idee, unsere Freunde und Familie so lebendig und unterhaltsam wie möglich auf dem Laufenden zu halten. Neben den direkten, etwas privateren Kontakten, versteht sich. Später dann hatte ich gehofft, meine Texte können eine kleine, bereichernde Zerstreuung sein in dieser schrägen Zeit. Inzwischen fühlt es sich bereits so an, dass manche Leser uns im Geist auf unserem Weg begleiten und segnen. Sei es durch gute Wünsche, Bibelverse, Gebete, Kommentare, gute Gedanken – ja, selbst durch unausgesprochene – und eure Rückmeldungen zu unserem Block. Vielen Dank, ihr gebt uns so viel zurück!

Mitte Mai bin ich leider krank geworden. Ich habe mich erkältet, und das, nachdem Tobi bereits den dritten Tag mit Fieber und Schweißausbrüchen im Bett lag. Bei mir waren es Schnupfen, Gliederschmerzen und die Tendenz zu Schüttelfrost. Es ist superlieb, dass Freunde, die Bescheid wussten, immer wieder nachgefragt haben, wie es uns geht und uns eine gute Besserung gewünscht haben. Sogar ihre Hilfe haben sie angeboten, falls wir irgendetwas brauchen. Das ist so der Hammer, ein riesen Segen und wir sind megadankbar. Wer sich von euch um Tiere kümmern muss, der weiß, dass es tägliche Aufgaben gibt, die zu erledigen sind. Gut, dass ich zumindest noch solange durchhalten konnte, bis Tobi wieder einiger Maßen auf den Beinen war. Gemeinsam und mit ein paar Einkäufen von Jack und Naomi sind wir gut durch die zwei Wochen zu Hause gekommen.

Neue Probleme

Wenige Tage später sind Tobi und ich wieder fit. Es kann weiter gehen: Tobi muss unser Ferienhaus für eine Familie einrichten und ich mache mich an die Gartenarbeit.
Wir haben wertvolle Zeit verloren; mein Sauerteig ist eingegangen sowie meine Glucke, die einfach nicht vom Brüten abzubringen war. Ich mache mir Vorwürfe aber das macht es nicht besser – nur schlimmer. Außerdem hatte ich nur eine Gelegenheit, etwas Birkensaft zu ernten – die Saison dauert lediglich wenige Wochen an. Zu allem Übel sind meine Hühner krank geworden und Aleesha lahmt. Was habe ich nur alles falsch gemacht! Aber das Schlimmste für mich ist, dass wir uns nicht richtig von Naomi und Jack verabschieden konnten. Sie müssen Anfang Juni zurück in London sein. Es hat keinen Zweck, lange zu trauern. Zwei Tage hintereinander heule ich: einen Tag um meine Glucke, den anderen um unseren verkorksten Abschied. An diesem Tag laden uns Viccy und Marcus auf ihre Veranda zum Eisessen ein. Endlich wieder ein Lichtblick! Anschließend sind die Tage so herrlich sonnig und warm und der Garten ruft; verflogen ist alle Wehmut!

Neuer Tatendrang

Jetzt, wo ich wieder fit bin, möchte ich unbedingt so vieles machen: ein paar Hochbeete aufbauen und befüllen und eine Kräuterschnecke aus Steinen anlegen. Mehrere Hobbygärtner aus der Gegend hatten uns unabhängig voneinander geraten, das Gras aufzustechen und die Grasnarbe umzudrehen (finde ich gar nicht so leicht!) und hierüber eine Schicht Karton zu legen. Auf den Karton kommt eine dünne Schicht Sand und Kies. Darauf werden trockene Äste aus dem Wald, alte Blätter, etwas Humus vom Kompost des vorigen Jahres und etwas Hühnermist – ebenfalls vom Vorjahr – verteilt. Als oberste Schicht verwende ich Pflanzenerde aus dem Baumarkt. Ich setze mir Dünger aus Schachtelhalm und Brennesseln an. Unser Gartenschlauch sollte vom Außenhahn bis rüber zu den Beeten reichen. Eine Regentonne fehlt uns noch. Obwohl wir unser Wasser aus einer Quelle beziehen und es kostenlos ist, empfinde ich es als verschwenderisch, dieses reine Trinkwasser auf meine Beete zu kippen. Ein wenig „Schwabe“ ist einfach an mir hängen geblieben! Ich bin knausrig – auf eine gute Art, finde ich, und ich stehe dazu auch wenn andere namens Tobi das albern finden. Vielleicht ist es das auch hier in Lappland, wo fast niemand außerhalb der Stadt eine Regentonne besitzt…sollte ich etwa doch schwedisch werden…?


Tobis Arbeit am Ferienhaus geht gut voran. Ich war bisher nur ein paar mal zum Ausräumen und Putzen mit. Tobi besorgt gebrauchte Möbelstücke, verkleidet den Kamin, reißt die kaputte Kloschüssel raus und bereitet die Küchenzeile für eine Spülmaschine vor. Er möchte das obere Klo streichen und einen neuen Boden legen.


Aleesha bekommt von Beate seit Kurzem einmal wöchentlich eine Art Physiotherapie. Ins Futter mische ich Weidentee, Kombucha und Magnesium. Es geht ihr wieder sehr viel besser! Die Hühner behandle ich mit Kolloidalem Silber, mit Kombuchascoby und Kräutern. Die Sitzstangen und Beine der Hühner bepinsle ich mit Kräuteröl, das hilft gegen ihre Kalkbeine, die inzwischen fast geheilt sind. Sauberkeit ist oberstes Gebot. Außerdem habe ich vor ein paar Tagen Raubmilben im Stall verteilt; die sollten schädliche Vogelmilben vertreiben, falls es denn welche gäbe. Bisher ist der Zustand des Hühnergefieders leider unverändert, dafür ist es mit dem Durchfall besser geworden.

Nur wenn ich zum Angeln an den See gehe, den Enten beim Schwimmen zusehe, empfinde ich Trauer und gleichzeitig Trost. Trauer über all das, was so ungerecht ist auf dieser Welt und Trost in all dem Frieden, der mich durch die Natur und die Stille um mich herum überkommt. Auf dem See schwimmen drei Enten, die ab und zu quaken und manchmal näher kommen, aus der Ferne ruft ein Kuckuck und die Wellen schlagen sanft gegen den Stein, auf dem ich sitze. Das Wasser glitzert in der Abendsonne, die allerdings selbst noch um Acht weit über dem Horizont steht. Draußen in der Natur empfinde ich die Welt als in Ordnung. Es wird mir bewusst, wie sehr Gott mich lieben muss, dass er mir so viel Frieden und Vergebung schenkt. Alle meine Fehler und mein Versagen, die in meiner kleinen Welt Schaden anrichten können, hat er mir längst verziehen und ich bete und vertraue darauf, dass er alles wieder in Ordnung bringt.

„…Gott ist durch Christus selbst in diese Welt gekommen und hat Frieden mit ihr geschlossen, indem er den Menschen ihre Sünde nicht länger anrechnet…“ 2. Korinther 5,19

Übrigens: Obwohl die Sonne um 22 Uhr untergeht und um zwei wieder auf, wird es nachts nicht mehr komplett dunkel.

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