Blogeintrag zum Juni und Juli
Lagerfeuer, kalte Füße, Mückenstiche…was für ein Sommer!
So viele Geschenke…
Aus den sechs befruchteten Eiern im Brutapparat sind fünf gesunde Küken geschlüpft. Das ist wirklich kein schlechter Schnitt! Auch aus dem sechsten Ei kam überraschend noch ein Küken nach. Allerdings, und das habe ich erst am nächsten Tag bemerkt, hatte es ein Bein unter den Flügel geklemmt und konnte es gar nicht strecken. Das Gelenk schien vollkommen steif zu sein. Aber trotzdem: wie toll ist das denn? Ich hatte mir viel zu viele Sorgen gemacht, die hätte ich mir sicher alle sparen können. Ich hatte solche Angst, irgendetwas falsch zu machen – völlig umsonst. Sechs kleine Flauschebällchen liegen unter der Wärmelampe – was für ein wunderbares Geschenk!
Auch im Garten entwickelt sich alles ziemlich gut – zumindest, bis auf die Raupenschäden an Radieschen und Kohl, wächst alles besser als im vorigen Jahr und das trotz der außergewöhnlichen Kälte in diesem Sommer. Auf den Tipp einer Freundin hin, die Pallkragenbeete zu erhöhen und die Erde aufzubessern, habe ich genau das gemacht und es hat sich wirklich ausgezahlt. Auch mit dem Düngen bin ich fleißiger als im Vorjahr: Brennesseljauche, Schachtelhalmsud und Tomatenblättersud helfen, die Pflanzen zu kräftigen. Als Mulch verwende ich Grasschnitt, das gibt beim Gießen gefühlt mehr Nährstoffe an die Pflanzen ab als Laub und ist ein besserer Wärmeschutz am Wurzelansatz. Ähnlich wie im vorigen Jahr denke ich noch im Juni, dass es jetzt aber wirklich Zeit wird! Während ich Ende Juli plötzlich merke, wie alles explodiert ist. So erstaunlich ist die Veränderung im Garten innerhalb weniger Wochen, dass ich es kaum fassen kann! Die Kartoffeln habe ich Mitte Juni gesetzt und demnächst fangen sie an zu blühen. Kohlrabi, Karotten, Salat und Rote Bete kann ich inzwischen täglich ernten. Das Gemüse vor der Haustür zu haben ist wirklich ein großartiges Geschenk.
Während wir von Freunden und Familie in Deutschland hören, dass dort Hitze und Trockenheit herrschen, ist es hier sehr kalt und eher nass. Die Temperaturen liegen oft zwischen 12 und 17 Grad, die Sonne schafft es kaum durch die Wolkendecke, dazu weht manchmal noch ein eisiger Wind. Die richtig heißen Tage hatten wir zwar auch, aber wirklich nur ganz kurz. Dazwischen lagen vereinzelt die ganz normalen Sommertage mit lauen, langen Abenden am Lagerfeuer, mit und ohne Mückenplage. Obwohl Mittsommer (21.Juni) schon viele Wochen zurück liegt, wird es nachts nicht dunkel.
21. Juni, 23 Uhr
Mit viel Herz und nicht ohne Verstand
Während ich viel in Garten und Stall beschäftigt bin, holt Tobi weiter fleißig Baumstämme mit dem Quad aus dem Wald, zersägt und spaltet sie und schichtet das Brennholz auf. Manchmal helfe ich mit. Für meinen Vormittag hat sich eine schöne Routine eingespielt: Ich mache mir Kaffee, versorge Hühner und Küken, gieße falls es nicht regnet und kümmere mich um die Tomaten. Meistens hat Tobi dann das Frühstück fertig und übernimmt danach den Abwasch, während ich aufräume oder bei Bedarf Hühner- und Kükenstall säubere.
Die Tomaten brauchen wirklich meine volle Aufmerksamkeit, weil sie so schnell wachsen: täglich entferne ich an fast allen Pflanzen die Geiztriebe, schneide zu dichtes Blattwerk zurück und schüttle die Blüten für die Befruchtung. Anstelle von Pflanzstäben habe ich in diesem Jahr vorwiegend Schnüre gespannt und zusammen mit der Pflanze eingegraben. Inzwischen muss ich nur noch einmal kräftig an allen quergespannten Schnüren wackeln, damit es die Pflanzen ordentlich durchschüttelt. Alle zwei Wochen bekommen meine Tomaten etwas Epsom Salt und Jauche als Dünger. Das sind alles wichtige Aufgaben, aber ohne die Sonne wird das in diesem Jahr wieder nichts mit dem Traum von vielen, reifen Früchten. Daher hoffe ich auf sonnige und warme Tage im August!
Sehr viel Aufmerksamkeit braucht auch das Hinkebeinküken. Ich habe es recherchiert; ich bin nicht die Einzige Verrückte auf diesem Planeten, die ein Hühnerküken mit Massage und Gymnastik versorgt hat, doch aber eine der Wenigen. Ich spüre, dass es ein besonderes Küken ist. Selbst nach neun Wochen ist es immer noch wie ein Baby: glücklich und friedlich, sobald es sich irgendwo verkriechen kann. Immer wieder gibt es Rückschläge, die uns daran erinnern, dass wir das Kleine vielleicht doch erlösen müssen. Wir behalten uns das im Hinterkopf. Jedoch hindert es mich nicht daran, mich über den minikleinen Nachzügler zu freuen. Im Gegenteil! Ich genieße jede freie Minute mit den kleinen Rackern, so gut ich kann. Drei Hähne sind es, zwei wunderschöne Hühner und der kleine Pimpf. Ich bin wirklich froh, dass die Rasselbande das Hinkebeinchen derart gut akzeptiert.
Die Natur blüht in diesem Sommer so richtig auf und das in größerem Ausmaß als im vorherigen Jahr. Es müssen so um die dreißig Vogelnester um uns herum gewesen sein – davon sind die meisten inzwischen leer. Zum größten Teil war die Brut erfolgreich, aber es gab auch Verluste. So genau wie in diesem Juni konnte ich das noch nie vorher beobachten. Aus einem Schwalbennest über unserem Fenster wurde immer wieder ein Junges heraus geschmissen. Wir hatten gleich den Verdacht, dass da etwas nicht stimmt. Wir haben es trotzdem zurück gesetzt. Vergeblich! Über Nacht haben die Schwalben das gesamte Nest geräumt und ein totes Küken zurück gelassen. Am nächsten Tag konnten wir sehen, warum: Das Nest war übersät von Flöhen! So wurde uns wieder einmal bewusst, wie die Natur sich um sich selbst zu kümmern weiß und wie wenig wir als Menschen eingreifen sollten. Dahinter steckt ein wirklich ausgeklügeltes System. Mit dieser Lektion im Hinterkopf, greife ich später auch nicht ein, nachdem die kleinen Eichhörnchen ihre ersten Kletterversuche unternehmen. Lediglich unsere Xena bekommt für eine Weile Hausarrest und Aleesha behalten wir gut im Auge. Das Eichhörnchen-Nest im Dach des roten Hauses war von dem wahrscheinlich noch jungen Muttertier echt unglücklich gewählt. Für die Kleinen ist es sehr schwierig, sich an der glatten Hauswand festzuhalten. Wenn sie nicht das Loch an der Hausecke erwischen, dann versuchen sie, von der Hauswand an den Giebel zu kommen und kopfüber fallen sie so jedes Mal wieder herunter. Sie lernen es auf die harte Tour, aber ich hoffe doch, dass es künftig keine Eichhörnchen-Nester im Hausdach mehr geben wird. Obwohl es doch zu goldig ist, die Kleinen zu beobachten.
Das Sägewerk ist regelmäßig im Einsatz und es soll uns noch große Dienste leisten: Eine Veranda soll um die Hütte entstehen, zusammen mit einem Duschhäuschen. Zwar stehen schon die Pflöcke um meine Beete, aber die Schwarten für den Zaun müssen erst noch gesägt werden. Glücklicher Weise kommen nicht mehr allzu viele Rentiere auf unser Grundstück; schließlich haben sie bemerkt, dass dort ein Hund unterwegs ist. Selbst mit Hasen oder Wühlmäusen hatten wir noch keine Probleme – der Katze sei Dank. Die einzigen, die wir immer mal wieder verscheuchen müssen, sind unsere Hühner und Aleesha, die sich einfach immer noch zu gerne in ein frisches Beet eingraben will.
Eine Outdoordusche habe ich im Wald gebaut. Es ist nur ein wilder Verschlag mit Brettern und einer alten Tür um eine Palette herum geschraubt und zwischen alten Baumstämmen befestigt. Einen Duschvorhang habe ich angebracht und ein paar Büsche aus Weide gesteckt. Den Sack der Solardusche habe ich an einem Seil befestigt, welches über eine Querstange über der Duschkabine läuft. Mithilfe einer Art Umlenkhakens kann man den Sack, auch wenn er gut voll ist, nach oben ziehen. Die Solardusche können wir an der Sonne aufwärmen oder eben mit warmem Wasser befüllen. Ich habe die Dusche schon ausprobiert, funktioniert prima!
Mein nächstes Projekt ist die Outdoorbadewanne. Bisher ist es nur eine Mulde im Boden mit einer feuerfesten Schale, ein paar Steine und darüber eine Wanne. Allerdings müssen wir für diese noch eine Halterung schweißen und ich müsste mal schauen, wie heiß der Wannenboden tatsächlich ist. Wahrscheinlich brauche ich eine Sitzunterlage aus Holz dafür, wenn ich mir nicht den Hintern verbrennen will.
Schon für dieses Jahr hatte ich mir eine Erweiterung des Gewächshauses gewünscht, aber das schaffen wir wahrscheinlich erst im Herbst. Außerdem möchte ich gerne ein richtiges Mistbeet, hierfür muss ich mir aber einen Bagger leihen. Ein Loch von einem Meter Tiefe, knappe 2 Metern Breite und Länge, dort hinein soll eine ordentliche Schicht Pferdemist, darüber Laub und Humus. Oben drüber kommt eine Beeteinfassung und darauf möchte ich ein Fenster in Schräglage, welches ich bei Hitze aufklappen kann. Die Idee stammt aus einem Buch von W.D.Storl. Tobis Theorie dazu war, dass es bei einem Permafrostboden wie dem Unsrigen blödsinnig ist, ein Beet in die Tiefe zu bauen. Vielleicht hat er Recht? Ich finde, wir sollten es ausprobieren und gleich daneben ein Beet derselben Art in die Höhe bauen. Oder wir befragen einfach Leute mit Erfahrung.
Es wird uns nicht langweilig in Lappland! Durch neue Bekanntschaften haben wir auch weitere schöne Ecken entdeckt. Es gibt eine Art Canyon, der mich landschaftlich total an Kanada erinnert; zerklüftete Felsen, ein klarer Fluss, ein paar Sandbänke und steile Abhänge. Außerdem gibt es noch das Fjäll zu entdecken. Inzwischen hat auch Tobi die Wanderlust gepackt.
Unsere Hütte wurde noch ein paar Mal von Airbnb Gästen gebucht. Dadurch hatten wir immer wieder interessante Begegnungen und Gespräche. Außerdem waren Sonja und Thomas für ein paar Tage zum Helfen da. Wir kannten die Beiden vorher noch nicht, aber sie haben uns viel geholfen und wir haben sie gleich ins Herz geschlossen. So liebe Menschen. Wir erleben, wie Leute ihre ersten Rentiere sehen und weinen vor Glück. Andere sind inspiriert von unserer Lebensart oder inspirieren uns. In jedem Fall ist es immer ein Gewinn. Etwas befürchtet hatte ich, dass manche die Beschreibung nicht richtig lesen und dann mit unserer Trenntoilette im Klohäuschen nicht zufrieden sind. Aber alle finden sie passend und urig. Nur die Outdoordusche wurde unterschiedlich gut aufgenommen; sie ist einfach zu sehr mitten im Wald, zu abenteuerlich und zu weit weg von der Hütte. Es wird daher Zeit für ein richtiges Durschhäuschen mit Warmwasserboiler. Eine Hängematte soll in jedem Fall noch dazu und ich bin an der Outdoorküche dran. Da die Hütte allerdings schon eine richtige Küche hat, macht diese eher Sinn in Richtung Wohnwagen.
Wir stecken wieder einmal viel Herzblut in unser Timeout in Lappland, obwohl wir ja nur auf Durchreise hier sind. Unsere Tage hier sind auf unbestimmte Zeit gezählt – ich meine auch die Tage auf diesem Planeten; daher gibt es keine Zeit zu verschwenden. Wir tun, was wir lieben, was uns erfüllt und was für unser Leben Sinn ergibt. Alles mit viel Herz und nicht ohne Verstand.